Karriere als Frau und Mutter.

Was als Frau ohne Kind & Kegel schon schwierig ist, wird als Mutter zu einem Hürdenlauf.

Das Erreichen von bestimmten Positionen, die ein Quäntchen höher liegen als der Einstieg in die spezifische Branche, gleicht oft einem Hürdenlauf bei Olympia. Wohlgemerkt, mit anderen, schlechteren Bedingungen. Du musst mithalten mit männlichen Hochleistungssportlern.

Stell dir vor, dein Ziel ist es 800m zu laufen. Du denkst, das kannst du. Was sind schon 800m? Die Aufgabe ist klar, das Ziel ist klar, die Bedingungen sind klar. Dann kommst du ins Stadion und siehst, dass schon ein paar Läufer losgerannt sind. Man teilt dir mit, dass die Bedingungen jetzt andere sind. Du sollst die 800m schneller laufen als dein männlicher Kontrahent. Du sollst so richtig zeigen, wie sehr du diesen Job..äh..das Ziel willst.

Du rennst los. Während der männliche Sportler zwischendurch geht und hier und dort fällt, schaffst du es natürlich früher im Ziel zu sein und hast auch noch Bestleistung. Yippieeee!

Aber anstatt, dass du dich auf dem Siegerträppchen wiederfindest, entscheidet das Komitee, dass doch der männliche Kollege gewinnt. Du bist sauer. Du fragst warum. Aber alles, was du zu hören bekommst ist ein: „Er hat immer trainiert. Es gab nie eine Lücke. Er wollte das Ziel mehr als du“

Was theatralisch klingt ist die bittere Realität für Mütter.

Wir treten gegen männliche Bewerber an, die einen lückenlosen Lebenslauf haben, quer durch die Nation reisen, vielleicht sogar im Ausland waren, während wir Schwangerschaft, Elternzeit und Teilzeitpositionen in den ersten Lebensjahren des Nachwuchses vorweisen.

Das ist schon mal der erste Makel. Würde niemand so sagen, wird aber so gesehen. Der zweite Makel ist das Kind selbst.

Es könnte, Gott bewahre, krank werden. Der direkte Schluss, der daraus gezogen wird, ist dass die Mutter grundsätzlich immer dann auch Kind-Krank nimmt.

Eine Philosophie die auch durch die männlichen Kollegen mit astreiner Vita befeuert wird. Nicht bewusst von sich selbst aus, sondern aus der Gesellschaftsnorm selbst heraus. Denn jene, die einen straighten Weg hingelegt haben und Familie aufweisen können, haben eine Partnerin im Rücken, die genau das tut. Kind-Krank nehmen oder ganz daheimbleiben, weil der Partner eben „Beruflich sehr involviert ist“.

Was völlig ok ist, und auch kein Bashing dieses gewählten Rollenbilds sein soll. Der Blickwinkel darauf und die Akzeptanz dessen ist schlichtweg höher.

Aber was auf den ersten Blick nicht so recht auffällt, ist das auch hier jemand nicht beruflich gleichberechtigt ist. Ob gewählt oder „gezwungen“ sei mal unangetastet.

Während der Mann dafür gefeiert wird, dass er Beruf und Privat so gut unter einen Hut bekommt, wird der Mutter, bei gleichem Vorgehen, hintenrum vorgeworfen karrieregeil zu sein, eine Rabenmutter zu sein, die ihr Kind vernachlässigt.

Natürlich darf die Frage nach Betreuungsfamiliensituation auch nicht im Bewerbungsprozess gestellt werden, was aber die Recruiter und Geschäftsführer dieser Welt nicht davon abhält genau diese dann doch zu hinterfragen und zu beurteilen. Ob dies dann der Wirklichkeit entspricht, fraglich.

Meine alte Chefin sagte mal:“ Dort wo Gedankenkonstrukte entstehen, bliebt kein Spielraum mehr für die Wahrheit“

Man wird als Mutter (egal wie die Qualifikation ist) als dritte Wahl klassifiziert und kommt meistens noch nicht mal auf die, „wenn wir gar keinen finden Liste“. Sie wird aussortiert und darf meistens noch nicht mal zum Hürdenlauf antreten.

Wenn sie Glück hat, bekommt sie noch eine Absage. Selbst das sparen sich einige Firmen mittlerweile.

Und dann nicht mehr direkt gefragt werden darf nach er Betreuungssituation daheim kommen Fragen wie:

  • Was sagt denn das Kind dazu?
  • Wie geht es dem Kind damit?
  • Wie geht es dem Ehemann damit? (WTF)
  • Wie flexibel sind sie denn so?
  • Ach, sie kommen aus der Pflege…das ist doch für Mütter ein toller Beruf.

Oder man erfindet fiktive Szenarien, wo jeder Affe mit einem Daumen erkennt, dass diese Frage darauf abzielt, ob man als Mutter auch wirklich wirklich wirklich 40 Std. die Woche arbeiten kann.

Wissen Sie, ich habe nicht erst ein Bewerbungsgespräche hinter mir. Ich habe alle die lustigen Fragen schon gehört, all das Rumtänzeln um den heißen (Familien-) Brei.

Ich bin müde ob solcher Gespräche. Besonders dann, wenn Frau sofort nach zwei Sätzen merkt, dass Müttern nie eine Chance gegeben wird bzw. gegeben werden soll.

Ich bin eine 42-jährige Mutter. Ich habe ein schulpflichtiges Kind. Ich studiere neben meinem Vollzeitjob. Ich mache regelmäßig Sport. Ich backe, wenn es sein muss, fünfhundert Cupcakes für den Kuchenbasar in der Schule. Ich organisiere mit links den gesamten Alltag. Ich verwalte Termine. Ich strukturiere Abläufe. Gucke das jeder am Ende das Tages zufrieden ist, dass Zeitpläne eingehalten werden. Plane Familiengespräche und sorge dafür das Prozesse evaluiert werden.

Und ich bin keine Ausnahme. Von uns gibt es tausende.

Kommt das bekannt vor? Ja, oder? DAS, meine Lieben, ist Projektmanagement.

Und das alles machen wir sicher nicht immer mit Bravour, auch wir stolpern, aber wir sind in diese Aufgabe gewachsen. Wir habe gelernt. Und wir lernen jeden Tag dazu. Im familiären Setting wird uns das erlaubt, im beruflichen werden wir oft dafür abgestraft und bekommen gesagt, dass wir doch ungeeignet sind.

Niemand hat von mir erwartet die eierlegende Wollmilchsau zu sein als ich 4 Tage nach Sectio aus der Klinik kam. So eine Familie kommt nämlich nicht mit Bedienungsanleitung.

Und obwohl viele diesen „beruflichen Familienmakel“ mit sich tragen, sollten Geschäftsführer darüber nachdenken was ihnen entgeht, wenn sie nur der absolut zielstrebigen, aber oberflächlichen Agenda folgen. Sie verpassen jemanden, der den Rundumblick hat, auf den man sich verlassen kann und, wenn es eben sein muss, auch nachts um 3Uhr für den großen, millionenschweren Pitch noch die Präsentation fertig macht.

Und es entgehen Cupcakes.

Aber, und das sage ich ganz bewusst und sehr eindringlich: Loyalität ist keine Einbahnstraße. Bekommt man keine, wird es keine in Return geben.

In diesem Sinne: Think outside the Box!

#Women’s Day

Vielleicht bin ich für heute etwas spät zum Frauentag dran, aber ich möchte meine Gedanken dennoch dazu teilen.

Was bedeutet es in unserer westlichen Gesellschaft heute als Frau zu leben?

Was bedeutet es beruflich & gesellschaftlich?

In aller erster Linie ist „Frau sein“ nach wie vor mit Nachteilen verbunden. Ich rede nicht von Wahlrecht, oder die Möglichkeit ein eigenes Konto zu eröffnen. Ich rede von Selbstverwirklichung, von Selbstbestimmung.

Um den Spoiler vorwegzunehmen: Egal was Frauen machen, es ist grundsätzlich nicht richtig.

Ein Beispiel gefällig?

Willst du keine Kinder? Super! Naja, oder doch nicht. Die gespielte Akzeptanz, dass eine Frau keine Kinder haben will, wird oft von Diskussionen und Kommentaren überschattet. Von „Ach, das ändert sich noch!“ über „das ist absolut egoistisch keine Kinder zu bekommen“ bis hin zu „karrieregeil“ ist oft alles dabei. Geäußert von Männern UND Frauen.

Und anstatt sie in Ruhe zu lassen, wird sie bis circa Mitte 40 mit Adleraugen beäugt, weil sie ja doch schwanger werden könnte. Damit fallen viele qualifizierte Frauen für Führungspositionen raus. Aus Prinzip, weil sie einen Uterus haben.

Hier wird schon die Selbstbestimmung massiv von außen sanktioniert und beschnitten. Etwas, was 2023, nicht mehr passieren sollte.

Nehmen wir das andere Beispiel:

Das junge Paar entscheidet sich GEMEINSAM das klassische Familienbild zu erfüllen (die Gründe dafür sind mannigfaltig und stehen nicht zu Diskussion, weil sie schlicht niemanden etwas angehen).

Dort sehen sich gerade Frauen mehr als häufig den Vorurteilen konfrontiert sich nur aushalten lassen zu wollen und weltfremd sind.

QED: Auch wieder nicht richtig!

Dann gibt es die Familien, wo beide arbeiten, eine Familie gründen.

Während sich der Mann gar nicht der Frage stellen muss „Was ist denn mit dem Kind, wenn Sie arbeiten?“ hat sich das jede Mutter sicher mindestens einmal anhören müssen. Das ist eine ganz problematische Frage, die auch gerne in Vorstellungsgesprächen gestellt wird.

Und wissen Sie was? Die Frage ist einfach unschön. Sie fragen sich warum, aber da helfe ich gerne.

Sie ist unangebracht, weil Sie uns Mütter nur noch auf unser Mutterdasein reduziert. Fachexpertise? Egal! Was ist mit dem Kind?

Personalmangel kann slightly behoben werden? Egal! WAS IST MIT DEM KIND?

Und wer diese Fragen nicht in voller Aufopferung mit „Kein Problem, ich kann 24/7 arbeiten, zu Not kümmert sich der Ortsvorsteher oder der Cousin vom Busfahrer um den Nachwuchs.“ beantwortet, hat oft schlechte Karten.

Mir wurden in der Vergangenheit Weiterbildungen versagt, weil ich Mutter bin. Ich wurde offen nicht eingestellt, weil ich Mutter bin. Ich wurde geschasst, weil ich meine Schwangerschaft nicht vorher abgesprochen habe. Karrierechancen und Führungsposition für hochqualifizierte Mütter? Da suchen viele leider vergeblich, aber es wird besser, ja.

Das System ist oft toxisch für Frauen und in dem Sinne auch Mütter.

Von Care Arbeit und Gender Pay-Gap fange ich gar nicht erst an, das ist oft genug thematisiert worden. Ob es ankommt, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Am Ende noch eine Schmunzelanekdote zum Schluss:

Ich verdiene mehr als mein Mann. Anstatt dass man sich freut, dass dem so ist, ich vermutlich nicht von Altersarmut betroffen sein werde, ich eben gut verdiene, mir und meiner Familie auch einen guten Standard ermöglichen kann, wurde mein Mann gefragt, wie er damit zurechtkommt, wenn seine Frau besser verdient und ob er damit einverstanden ist. Ja, so habe ich auch geguckt! Wie sie sehen, wir haben noch einen langen weg vor uns. Gesamtgesellschaftlic

Bitte antworten Sie in maximal 2 Sätzen was in der Pflege geändert werden muss

So, oder ähnlich, erhalte ich oft Fragen in Interviews.

Das sind dann die Momente, wo ich kurz innehalte, schmunzeln muss, dann zum Telefon greife und meinen Interviewer anrufe, um zu erklären WARUM das eben nicht in 1-2 Sätzen zu erklären ist.

Im direkten Diskurs wird dann schnell klar, dass der Interviewer nur eine rudimentäre Ahnung hat was die Thematik an geht. Oft wird aber auch nur ein Standardsatz wie „Besser Arbeitsbedingungen, mehr Lohn, mehr Personal“ erwartet. Reihenfolge egal, gerne mit emotionalen Füllwörtern. Fertig ist das Interview.

So einfach ist das aber leider nicht. Ich gebe gerne zu, dass ich vor ein paar Jahren selbst sehr unreflektiert nach besseren „Arbeitsbedingungen“ geschrien habe, ohne mir überhaupt Gedanken zu machen, was ich da überhaupt sage.

Die Forderung nach mehr Gehalt teile ich gerne. Das ist auch auf den ersten Blick einfach in einem Satz erklärt. Wir sind uns alle einig, dass Pflege besser entlohnt werden muss. Jetzt kommt aber das dicke ABER: Aber sie muss auch besser refinanziert werden, sprich es gibt nicht nur die Arbeitnehmerseite, sondern auch die Arbeitgeberseite. Und damit sind wir bei diesem unscheinbaren Thema von Gehalt nicht mehr bei einer Ein-Satz-Antwort.

Um das ganze Mal auf die bildlichere Ebene zu holen:

Eine Freundin von mir hat einen Pflegedienst. Klein, fein, familiär, nett. Sie ist eine großartige Chefin, hat den Rundumblick, ist bemüht darum das es ihren Mitarbeitern gut geht, plant die Touren mit Bedacht. Vor ein paar Jahren wäre es für mich erstrebenswert gewesen dort zu arbeiten. Mittlerweile nicht mehr. Im Schnitt verdient eine Pflegefachkraft circa 1/3 weniger als in der stationären Akut- und Langzeitpflege (und letztere ist wirklich oft schlecht bezahlt)

(https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/4_Pressemitteilungen/2015/2015_1/150127_zuPM-Anlage_Studie_zu_den_Entgelten_der_Pflegeberufe.pdf)

Diese Zeilen stammen aus dem Bundesgesundheitsministerium und wurde 27.01.2015 veröffentlicht.

2018 veröffentlichten Seibert, Carstensen und Wiethölter über das IAB folgendes:

(http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Entgelte_von_Pflegekraeften.pdf)

Sie kamen in dieser Auswertung zu dem Schluss, dass nicht nur ein Unterschied zwischen West und Ost existiert, sondern auch in welchem Bereich die Fachkräfte und Hilfskräfte arbeiten. Weiter dazu im Fazit aus Seite 5:

Sie sind aufgrund der ausgehandelten Pflegesätze außerdem weniger

flexibel als in anderen Wirtschaftsbereichen. Zugleich ist der Lohn als Instrument zur

Motivation und längerfristigen Mitarbeiterbindung und im Rahmen des weiter wachsenden Fachkräftebedarfs von erheblicher Bedeutung (vgl. Bogai 2017).

Dennoch unterscheiden sich die Löhne in der Pflege nach wie vor erheblich zwischen

den Pflegeberufen, den Bundesländern und den verschiedenen Pflegeeinrichtungen“

Man kennt das Problem jetzt nun nicht seit 2018 oder 2015, sondern schon länger.

Meine Freundin würde gerne mehr Gehalt zahlen, kann es aber eben nicht wegen den, wie gerade eben genannten, ausgehandelten Pflegesätzen. Nur sind wir mal ehrlich, wer gute Pflege will, muss sie auch bezahlen. Ich verwende gerne das Beispiel mit dem Schreinermeister. Wer eine Treppe benötigt, aber nur 300€ zahlen will bekommt eine Leiter, aber eben keine Treppe.

Wir befinden uns in einer Gesellschaft die grundsätzlich immer alles und zu jedem Zeitpunkt bekommt. Egal ob es das Hackfleisch samstagabends um 21 Uhr im Supermarkt ist, oder der Fernseher, den man online bestellt und am nächsten Tag geliefert bekommt. Wir haben Zugriff auf alles, zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Auch in den Kliniken erleben wir diese Mentalität immer häufiger. Da muss der seit 3 Wochen bestehende Rückenschmerz dann Sonntagnacht „schnell mal eben abgeklärt werden“ in der Notaufnahme. Auch die Medizin und Pflege ist ein allseits abrufbares Gut für viele geworden. Aber was, wenn eben jenes Gut nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung steht?

Wie Carstensen et al formuliert haben, spielt auch das Gehalt in Hinblick auf Mitarbeiterbindung eine große Rolle. Fachkräfte und auch Hilfskräfte zu bekommen wird immer schwieriger. Die Arbeitslosenquote der Pflegefachpersonen liegt aktuell bei 1,1% (https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/Altenpflege.pdf?__blob=publicationFile&v=7 )

Das sind für die Krankenpflege 12.400 Arbeitslose. Inkludiert sind dort Experten, Fachkräfte und Hilfskräfte. Demgegenüber stehen 15.500 offene Stellen, die nicht besetzt werden können.

Schaut man sich also die letzten Jahre an, hat sich da nur marginal was verändert bzw. ist gleichgeblieben.

Was auch nicht beachtet wird ist, dass eine Pflegefachperson sich ihren Job eben aussuchen kann und nicht jedes freie Angebot „ums Eck“ annehmen muss. Somit haben wir eigentlich einen arbeitnehmerdominierten Arbeitsmarkt. Der reine Wirtschaftler würde sagen, dass das die beste Voraussetzung ist, um individuell ein besseres Gehalt auszuhandeln. Dem ist leider nicht so.

Dass Headhunter anrufen oder mailen passiert relativ häufig, besonders im letzten Jahr. Ob es an der medialen Aufmerksamkeit lag, vermag ich nicht zu sagen. Ein Angebot kam von rund 80km Entfernung. Es war bewusst, dass diese Entfernung vorlag. Meine Bedingungen waren klar formuliert. (Fachweiterbildung). Über das Gehalt könne man reden. Man lud mich zur Hospitation ein. Die Station war großartig, das Team nett. Die 80km störten mich nicht wirklich. Als es dann ans Eingemachte ging, wurde die Fachweiterbildung mit der Begründung vom Tisch gewischt, dass ich erst 2-3 Jahre im Haus sein müsste. Würde schließlich Geld kosten. An einer Beteiligung der Fahrtkosten war man nicht interessiert, schließlich wäre ein eigener Vertrag mit einer einzelnen Pflegekraft nicht möglich. (Bei Ärzten ist dies im Übrigen durchaus möglich). Eine höhere Eingruppierung in die Entgeltabelle schlug man ebenfalls aus, aber man begrüßte das ich Pflegewissenschaft studiere und würde gerne von dem Benefit profitieren. Eine Beteiligung an den Kosten des Studiums wurde ausgeschlossen.

Ich lehnte dann dankend ab. Fakt ist, dieses Krankenhaus war mehr auf mich angewiesen als ich auf sie. Dieselben Bedingungen finde ich hier zuhauf im Umkreis. Dafür müsste ich eben nicht jeden Tag 160km fahren. In diesem KH wurden Betten gesperrt, weil es zu wenig Personal gab, man brauchte auch Menschen wie mich händeringend, war aber nicht bereit auch dafür mehr zu bezahlen. So holt man sich lieber die umgangssprachliche Leiharbeit ins Haus. Zu zahlende Stundenlöhne an die Arbeitnehmerüberlassung variieren stark, liegen aber zwischen 35 – 55€/Std. (Je nach Region und Ausbildung; lokal auch mal um ein Vielfaches höher). Jetzt könnte man meinen, dass dem Klinikbetreiber doch auffallen muss, dass es Irrsinn ist einer festangestellten Pflegefachperson nicht ein ähnliches Gehalt zu ermöglichen. Fakt ist aber, dass diese Kosten eben nicht als Personalkosten gewertet und abgerechnet werden, sondern erstmal auf ein Sachkonto gebucht.  Später dann werden diese Kosten dem entsprechenden Personalkonto zugerechnet, aber nur das tarifübliche Gehalt. Mehrkosten berühren nicht das Pflegepersonalbudget. Sprich, es bleiben Sachkosten.

Dazu das KHEntgG §6a Abs2:

„Bei Beschäftigung von Pflegepersonal ohne direktes Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus, insbesondere von Leiharbeitnehmern im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, ist der Teil der Vergütungen, der über das tarifvertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt für das Pflegepersonal mit direktem Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus hinausgeht, und damit auch die Zahlung von Vermittlungsentgelten, nicht im Pflegebudget zu berücksichtigen.“

Es ist also unattraktiv und unwirtschaftlich für eine Klinik höhere Gehälter als im Tarif vereinbart zu zahlen, sofern festangestellt. Dieses Mehr an Lohnkosten kann nur über das Pflegepersonalbudget verrechnet werden.

Das zu das KHEntgG §6a:

„Weichen die tatsächlichen Pflegepersonalkosten von den vereinbarten Pflegepersonalkosten ab, sind die Mehr- oder Minderkosten bei der Vereinbarung der Pflegebudgets für das auf das Vereinbarungsjahr folgende Jahr zu berücksichtigen, indem das Pflegebudget für das Vereinbarungsjahr berichtigt wird und Ausgleichszahlungen für das Vereinbarungsjahr geleistet werden. Das Pflegebudget ist in seiner Entwicklung nicht durch den Veränderungswert nach § 9 Absatz 1b Satz 1 begrenzt. Die Wirtschaftlichkeit der dem einzelnen Krankenhaus entstehenden Pflegepersonalkosten wird nicht geprüft und § 275c Absatz 6 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist zu beachten; die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen gilt als wirtschaftlich, für eine darüber hinausgehende Vergütung bedarf es eines sachlichen Grundes.“

Soweit so gut, der sachliche Grund wäre ja gegeben: Es fehlt Personal, man kann die Betten nicht öffnen, weil es ja die schönen PPuG gibt, zahlt man halt mehr Gehalt.

Liest man weiter, kommt folgendes:

„Sofern das Krankenhaus ab dem Jahr 2020 Maßnahmen ergreift oder bereits ergriffene Maßnahmen fortsetzt, die zu einer Entlastung von Pflegepersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen führen, ist von den Vertragsparteien nach § 11 zu vereinbaren, inwieweit hierdurch ohne eine Beeinträchtigung der Patientensicherheit Pflegepersonalkosten eingespart werden.“

Bedeutet einfach ausgedrückt: Ihr dürft einen Mehraufwand haben, aber bitte spart das auch an anderer bzw. Pflegestelle wieder ein. Ein Paradoxon. Denn wirtschaftlich ist, was durch Tarifverhandlungen vereinbart worden ist.

Selbst wenn die Arbeitgeber also wollen, werden sie durch das KHEntgG und das Krankenhausfinanzierungsgesetz gehindert. Es gibt schlichtweg keine Möglichkeit von Ausnahmen, ohne wieder andere Bereich in Mitleidenschaft zu ziehen. Das würde unweigerlich zu einer Spaltung innerhalb der Belegschaft kommen. Von diesem Gesichtspunkt her kann ich die Klinken verstehen, wenn es keine Ausnahmen gibt. Ich würde nicht wollen, dass durch mein höheres Entgelt jemand unterm Strich gekündigt werden muss.

Es bliebe also nur eine Möglichkeit: Großflächige Kündigungen, Abwanderungen in die Leiharbeit und so durch die Arbeitnehmer Druck auf die Politik ausüben. Man möge sich mal vorstellen, dass ein großes Uniklinikum von jetzt auf gleich ohne Personal dastünde. Klingt verlockend, wird aber nicht passieren da die Pflege nicht organisiert ist, ihre Macht nicht erkennt und es letztlich dann doch ganz ok so ist wie es ist. Ein Teufelskreis.

Aber kommen wir doch mal auf die bereits erwähnte Leiharbeit.

Von einigen Politikern als das Grundübel der Menschheit empfunden, was es zu bekämpfen und verhindern gilt und als Patientengefährdung gesehen wird (https://www.pflegen-online.de/dilek-kalayci-spd-will-zeitarbeit-verbieten), so ist es dennoch für einige Kollegen ein teilweiser Ausstieg. Natürlich bleiben die prekären Bedingungen dieselben, aber die Bezahlung ist deutlich besser, man kann die Klinik oder das Heim wechseln, wenn es ganz arg ist, man kann sein Frei vorgeben und eben durch das höhere Gehalt kann eine vorherige Vollzeitbeschäftigung in Teilzeit geändert werden. Liest man solche Äußerungen wie diese von Frau Kalayci stellt man sich unweigerlich die Frage, wie viele Kollegen denn in einer Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) verortet sind.

Dazu der Interessenverband deutscher Zeitarbeitunternehmen (IGZ)

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwj3uJK4t5zyAhXOgf0HHXB5DpAQFnoECAQQAw&url=https%3A%2F%2Fig-zeitarbeit.de%2Fsites%2Fdefault%2Ffiles%2Fredaktion%2Fartikel%2F2019%2F20180329_argumentation_pflege.aktuell_2.pdf&usg=AOvVaw3bF2GPEuvjJG3YxjDrxDnb

Bei maximal 2% von 1,7 Mio. Beschäftigten im Pflegebereich, muss man jetzt keinen komplizierten Dreisatz mit Wurzelziehen können, um auszurechnen, dass das eher eine vernachlässigbare Anzahl an Kolleg: Innen ist. Aber dennoch sprach und spricht man von Verbot. Eine nachvollziehbare Antwort bleibt man aber schuldig. Dass auf das Allgemeinwohl oder den Teamspirit zu schieben, lasse ich an dieser Stelle nicht gelten. Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle die Frage stellen warum eben jene Kolleg:Innen das feste Team verlassen, um in der ANÜ ihr Glück zu finden. Zum einen sind es monetäre Anreize, wie vorhin erwähnt, zum anderen ist es schlichtweg die gewährte Flexibilität. Als Beispiel kann man sich dafür die alleinerziehende Mutter oder Vater nehmen, die noch ein Schul- oder Kitakind versorgen müssen. Wenn dann noch eine schlechte soziale Umfeldstruktur dazukommt, ist ein normaler Schichtdienst fast nicht mehr möglich, oder nur mit sehr großen Abstrichen. Kindertagespflegeeinrichtungen mit dementsprechenden Zeiten, die dem Schichtdienst Rechnung tragen, gibt es selten. Zudem muss man sich auch mal bewusstwerden, dass 6 Uhr Schichtdienstbeginn bedeuten würde, dass das Kind je nach Erreichbarkeit von Betreuung und Arbeitsstelle gut und gerne dann auch mal um 4 Uhr aus dem Schlaf gerissen werden müsste. Und nicht ganz unironisch sage ich an dieser Stelle: Kitakinder und Grundschulkinder können sich noch nicht allein anziehen, Frühstück machen und dann eigenständig zur Kita. Vielleicht mag der ein oder andere jetzt schmunzeln, aber ja, ich habe solche abstrusen Forderungen schon gehört. Von Kolleg:Innen. Auch dass man so ein Kitakind auch schon mal in der Wohnung einschließen könnte für eine Schicht! Glauben Sie nicht? Hätte ich auch nicht, wenn ich nicht danebengestanden hätte.

An dieser Stelle sei versichert, wer sein Team liebt, seine Klinik liebt, die Arbeit vielleicht nicht immer großartig findet, aber unter Strich ganz ok, verlässt nicht seinen Arbeitsplatz, um rein aus monetären Beweggründen in die ANÜ zu wechseln. Oft ist es ein Mix aus fehlender Wertschätzung, Respektlosigkeit im Team, die Schlagzahl, die gefordert wird, die verweigerte Weiterbildung, das ständige Anrufen im Frei und Urlaub, ob man nicht doch einspringen kann, die 12 Tagesschichten mit 2 freien Tagen um sich zu „erholen“ sowie das Ignorieren von Arbeitsschutzgesetzen und Ruhezeiten. Letztlich bietet die ANÜ zwar ständig wechselnde Kliniken, aber mehr Planungssicherheit und eben auch mehr Lohn. Das System bleibt dasselbe, aber wenn es schon mistig läuft, warum dann nicht woanders mehr Geld bekommen? Ich finde, dass das eine durchaus berechtigte Frage ist, die man sich gefallen lassen muss. Als Arbeitgeber: In, als Politiker: In.

Dennoch, wir reden noch nicht mal von 30.000 Kolleg: Innen, die diesen Weg gewählt haben, von einer Bedrohung zu reden, halte ich nach wie vor für völlig überzogen und realitätsfern. Ich wünschte es wäre anders. Ich wünschte jede zweite würde ich die ANÜ wechseln und die eigene Klinik müsste dieselbe Mitarbeiter: In wieder teuer einkaufen, weil sonst der Betrieb gefährdet wären. Meine Hoffnung wäre, dass Kliniken sich dann die Frage stellen, warum die Mitarbeiter: Innen gegangen sind, was sie hätten tun können, aber das ist Schwarzwaldklinikromantik. Ich versichere Ihnen, diese Frage wird sich niemand stellen. Eher wird man die Schuld bei den ANÜ suchen. Nach 20 Jahren in diesem Beruf kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass es nur sehr wenige Klinikbetreiber: Innen gibt die sich aktiv damit auseinandersetzen würden. Erst wenn die Bilanz der Klinik so schlecht wäre aufgrund der Kosten und man vielleicht, dank des Krankenhausfinanzierunggesetz kurz vor der Schließung stehen würde, würde man sich das vielleicht fragen. Vorher aber nicht. Und selbst dann wäre ich mir nicht so sicher, ob die Schuld beim Personal gesucht werden würde, um sich nicht mit dem eigenen Versagen auseinanderzusetzen. Ja, 20 Jahre Klinik lassen einen so pessimistisch und verschwörungstheoretisch in dem Bereich denken.

Wir sehen also, dass die Forderung nach mehr Gehalt zwar wichtig ist, auch umgesetzt werden muss, dafür aber eben auch die Grundlagen geschaffen werden müssen. Entweder eben per Gesetz, dass ein individuelles Plus nicht gleich zu Kürzungen in anderen Bereichen führt oder eben über die Tarifverhandlungen, wenn dies als goldener Standard verwendet wird.

Apropos Tarifverhandlungen! Ein schwieriges Thema. Allein dazu könnte ich stundenlang schreiben und am Ende käme wieder dabei heraus, dass wir entweder nichts wert sind oder eben selbst schuld, weil wir uns nicht organisieren. Unsere Stammgewerkschaft, die eigentlich für uns zuständig ist (Verdi) kommt gerne zu dem Schluss, dass sie deswegen keine höheren Löhne aushandeln, weil sich nur sehr wenige Kolleg: Innen zu Gewerkschaftsarbeit bzw. Mitgliedschaft bewegen lassen würden. Fragt man allerdings jene die nicht Mitglied sein wollen, mokieren sie die mangelnde Einsatzbereitschaft von Verdi bei Tarifverhandlungen und schlechten Outcomes. Subjektiv beißt sich die Katze genau dort in den Schwanz und ich muss an dieser Stelle beiden Parteien Recht geben, in Teilen. Ich selbst habe mich nie von Verdi vertreten gefühlt, auch da eher als unliebsamen Teil der Gesellschaft, der bitte nichts kritisiert und stillschweigen hinnimmt. Ganz eklatant jetzt auch in der Pandemie als Hubertus Heil die Arbeitszeitgesetze aushebelte, wird 12 Stunden arbeiten „durften“ (welch Freude!) und die Ruhezeiten auf 9 Stunden verkürzte. Eine Zwangsverpflichtung bekam man nicht durch, obwohl sie relativ oft thematisiert worden ist, gerade in NRW und Niedersachsen, dennoch war die Empörung auf Seiten der Gewerkschaft noch nicht mal ein laues Lüftchen. Die Diskussion um diese Zwangsverpflichtung war schlussendlich dann auch schnell vom Tisch, da der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung zu dem Schluss kam, dass ein solcher Vorstoß verfassungswidrig sein.

Viele sind enttäuscht von Ver.di und Ver.di umgekehrt von wenig Mitgliedern. Vielleicht, und nur als kleiner Denkanstoß, wäre hier der Satz ganz passend: „Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, geht der Prophet eben zum Berg“. Wäre es so schwer für eine Gewerkschaft mal all den ganzen Frust über Bord zu werfen, die Hemdsärmel hochzukrempeln, nachzugeben und eine unnachgiebige Pflegepolitik durchzusetzen? Für eine starke Pflege? Für mehr Wertschätzung? Wäre das nicht das beste Mittel, um vielleicht auch Mitglieder zu gewinnen? Und wenn wir schon dabei sind, sollte sich eine Gewerkschaft nicht auch für eine Professionalisierung und Akademisierung MIT den Kammern stark machen, anstatt sie madig zu machen? Es geht nur Miteinander und nicht um eine persönliche Bias, auch nicht darum wer zuerst die Schaufel in der Hand hatte. Die Diskussion ist vielerorts einem Gerangel gewichen, hat die Sachebene verlassen und in diesem Fall ist es nicht so, dass wenn zwei sich streiten sich der Dritte freut. Der Dritte ist die Pflege, und die leidet. Massiv.

Das war jetzt das Thema Gehalt. Es hängt von vielerlei Faktoren ab. Von persönlichen, vom wollen und nicht können, vom können und nicht wollen, von Zankäpfeln, von Lobbyisten, von Aktionären. Der traurige Clown, der es eben ausbaden muss, dabei aber noch lächeln darf, ist die Pflege.

Was Mobbing anrichtet…

Es ist abends, mir ist langweilig, ich surfe durch social-media. Instagram, TikTok, Twitter.

Viele Inhalte mit wenig Substanz meiner Meinung nach. Es ist eine Aneinanderreihung von Scheinwelten fernab des echten Lebens was Otto-Normal-Verbraucher bei sich selbst zu Hause hat. Es ähnelt einer Realitätsflucht, dem Abtauchen in den Surrealismus gepaart mit der kreischenden, kognitiven Leuchtreklame im eigenen Kopf: „SIEH HER! MEIN LEBEN IST SO GEIL! ICH HABE ALLES WAS ERSTREBENSWERT IST UND DU BIST NICHTS“ Die Kommentare bestätigen dies auch.

 Es bleibt der fade Beigeschmack von Wertlosigkeit die subjektiv jedem zweiten Bild anhaftet. Natürlich liegt es bei jedem selbst wie er das aufnimmt, verarbeitet und abspeichert.

Nehmen wir mal das Beispiel „Figur“

Ich war immer übergewichtig und wurde in einer Zeit groß in der body-positivity nicht existierte. Plus-Size wurde nicht so benannt, sondern es hieß einfach nur gehässig „die ist fett“. Alles war mir in meiner Teenagerzeit geholfen hätte mich wohlzufühlen, Dinge, die es heute gibt, gab es nicht. Kleidung war der Horror, meine Mutter hatte das Modebewusstsein eines steppenden Kohlrabis, wenn es um mich ging. Sie selbst war immer adrett gekleidet und wurde kleidertechnisch ihrer Rolle als Geschäftsfrau gerecht. Meine Schwester, 16 Jahre älter, war da auch nicht wirklich hilfreich. Also trug ich mit 11 Jahren lange Jersey-Röcke, dazu ein kastenförmiges T-Shirt in weiß aus der Herrenabteilung welches bis zu den Knien ging. Und et voilà: Das Mobbingopfer war geboren.

Ich litt, sehr. Ich war Opfer von körperlicher Misshandlung und psychischem Missbrauch. Die Reaktion meiner Eltern auf die Misshandlung war auch ein Gespräch in der Schule, aber auch eine Gewaltaktion unter Tränen in der man mich auf eine Waage zwang unter den Argusaugen meiner Eltern mit dem Endresultat, dass ich jetzt sofort abnehmen muss. Kein Wort von Empathie, von Verständnis, von Zuspruch. Meine Eltern waren beide übergewichtig. Ich kenne sie gar nicht anders. Da halfen auch keine Bilder aus der Jugendzeit meiner Eltern, wo mein Vater rank & schlank vor seinem Auto in Shorts mit Six-pack posiert und auch kein Bild wo meine Mutter, in vermutlich Kleidergröße 32/34, im Bikini am Gardasee liegt. Und auch nicht die Geschichten von meiner Schwester, die doch immer so dünn gewesen ist, dass sie in nichts Gescheites passte, weil alles schlackerte.

Ich erinnere mich wie ich weinend in meinem Zimmer mit eben jenen Worten und Bildern zurückblieb. Es blieb die unausgesprochene Aussage „du bist selbst schuld“ wie eine schwere, dunkle Wolke im Raum zurück und überschattet, wenn ich ehrlich bin, noch heute mein gesamtes Dasein. Von da an war mein Leben ein einziges auf und ab an Diäten, die mehr oder minder erfolgreich waren. Meine Eltern probierten alles an mir aus was der Markt damals hergab. Eine gesunde Ernährungsweise, ein normales Portionsverhältnis oder gar Sport wurde nicht vorgelebt. Ich erinnere mich daran, wie ich sagte, dass ich gerne Volleyball spielen wollte. Die Antwort meiner Eltern war „Dafür wiegst du zu viel, du musst erst abnehmen. Die Mädchen tragen alle knappe Höschen, wie soll das bitte bei dir aussehen?“ Die irrwitzige Konsequenz bestand darin, mich im Ruderclub anzumelden. Etwas was ich nie geäußert hatte und sicherlich nicht zu meinem lang gehegten Traum gehörte, übergewichtig in ein dünnes Holzboot zu steigen und Gefahr zu laufen zu kentern.

„Entweder das oder gar nichts“ lautete die Devise. Ich fügte mich. Ging jede Woche zwei Mal zum Training, war zusätzlich zur Schule weiterem Spot ausgesetzt, weil man sich wieder über das Gewicht lustig machte und mit meiner Sorge vorm Kentern spielte. Im Winter durfte ich gar nicht raus, da der Trainer seine Sorge äußerte, dass alle wegen mir in die kalte Ruhr fallen könnten. Also musste ich in Schal und Jacke auf dem Steg sitzen und zugucken. Ich erzählte davon zuhause und musste trotzdem hin. Schließlich hatte dieser Ruderverein Olympioniken hervorgebracht. Ein Ziel, von dem ich wusste, dass ich es nie erreichen würde, könnte und wollte.

Der ganze Spuk dauerte zwei Jahre. Zwei Jahre die mental nur weitere Schäden anrichteten. Zwei Jahre, in denen ich mich verschloss, weil ich lernen musste das Tränen und Anvertrauen nur weiter bestraft wurden und zum öffentlichen Schauspiel inszeniert wurden. Das traurige, dicke Mädchen wurde zur Zirkusattraktion, die man begaffen und misshandeln kann. Niemand schritt ein. Mein Trainer sagte damals, dass wenn ich dazugehören wolle, ich da eben durchmüsse. Als man mein T-Shirt aus der Umkleide klaute, mit Fingerfarben ein Schwein drauf malte plus ein herzerwärmendes „Oink-Oink“ lachte der Trainer und sagte nichts.

In der Schule schmierte man mir Yes -Törtchen ins Haar oder Gesicht. Und während ich noch im Unterricht weinte, schrien meine Klassenkameraden, nachdem die Lehrerin fragte, was los sein, dass ich wohl traurig bin, weil ich wohl gern mehr haben will aber jetzt die Packung leer wäre. Besagte Lehrkraft schüttelte amüsiert den Kopf und machte im Unterricht weiter. Es war die zweite Stunde und ich musste noch so den ganzen Tag im Unterricht sitzen, bis meine Mutter mich abholte.

Sie sah mich an und sagte „Lass dich nicht ärgern“ Von den Hämatomen an meinem Körper, durch Schläge, Tritte und Kneifen erzählte ich nichts mehr. Spucke kann man Gott sei Dank nicht sehen bzw. abwischen

So ging es fast jeden Tag. Über die gesamte Schulzeit.

Wer jetzt „Freunde“ in diesem Kontext sucht, dem muss ich leider sagen, dass es keine gab. Vereinzelt gab es mal jemandem dem man sich anvertraute, wo das Gefühl am Anfang auch ok war und dann aber für die eigenen Popularität missbraucht wurde, weil es eben Hip war mich zu demütigen. So machte meine damalige beste Freundin mal Fotos wie ich auf der Toilette saß. Sie vervielfältigte diese mit einem Kopierer und hängte diese Pamphlete in der ganzen Schule auf. Von Klassenfahrten will ich gar nicht erst anfangen. Geklaute Kleidung, Kleidung in der Toilette, angezündete Kleidung, bepinkelte Schuhe sind nur ein trauriger Auszug aus dieser Zeit.

Schutz gab es nicht. Und all das nur weil ich eben übergewichtig war.

Ich sehe also diese Bilder von frisch gebackenen Müttern, die sechs Wochen später ihren After Baby Body am Strand von Barbados zelebrieren. Jede Aussage daran ist falsch, auf mehreren Ebenen. Ich sehe Bilder von super schlanken Teenies, die sich feiern, dass sie in Size Zero passen und sich selbst dafür ganz sicher sogar selbst kasteien müssen. Die Lüge, dass sie alles Essen können und so viel wie sie wollen, können sie sich in ihre von Dyson Airgewrapten Haare schmieren. Sie geben ein vollkommen falsches Abbild. Ich feiere jeden jungen Menschen der sich, so wie er ist, auf social-media präsentiert. Ohne Inszenierung, ohne Filter, ohne Make-Up Artist, ohne perfekte Ausleuchtung und ohne Profi-Fotografen. Jeden jungen Menschen, der in die Plus-Size Kategorie fällt, und ich meine nicht jene die mit ihrer Kleidergröße 40 als „Plus-Size-Model“ gelten.

Ja, heute ist es eine andere Zeit. Die Anfeindungen sind deutlich weniger, wenn sie aber kommen, und sie sind immer irgendwo zu lesen, gehen sie immer in Richtung lebensunwert, ekelhaft und widerlich.

Aber wir dürfen nicht jene vergessen die sich eben nicht zeigen. Jene die misshandelt werden, die allein sind, die jeden Tag Opfer werden, die jeden Tag die Bürde es gelebten und geforderten Perfektionismus erdulden müssen. Es sind viele, ganz sicher sogar. Es ist ok mit manchen Menschen nichts zu tun haben zu wollen, aber es ist nicht ok sie auf einem Scheiterhaufen der eigenen Reputation zu opfern, es ist nicht ok sie für die eigene Popularität zu missbrauchen oder um sein eigenes, minderwertiges Ego aufzumöbeln. Die Schäden tragen diese Menschen ein Leben lang mit sich rum und sind eigentlich nur ein Schatten von dem was sie hätten sein können oder hätten erreichen können. Sich davon zu distanzieren, was passiert ist, gelingt nämlich nicht. Es wird Teil von einem, wie ein schwerer Stoff den man immer wie einen Mantel mit sich trägt.  Ich kann auch niemandem vergeben oder verzeihen. Ich hasse diese Menschen abgrundtief für das was sie mir angetan haben. Niemand muss an dieser Stelle kommen mit „Aber es waren doch Kinder“. Es gab genug Erwachsene, die sich mit schuldig gemacht haben, weggeschaut haben oder sogar eben mitgemacht haben. Es war nicht meine Aufgabe als Opfer mich selbst zu schützen, Aufklärungsarbeit zu betreiben. Das wäre die Aufgabe von Erwachsenen gewesen.

All das kocht von Zeit zu Zeit hoch, manifestiert sich und muss dann irgendwie ertragen werden. Natürlich kann man jetzt sagen, dass Psychotherapie angebracht wäre, aber meine zwei Ausflüge in dieses Bereich endeten einmal mit dem Satz „Warum sind sie so wütend?“ und einmal mit „Das ist alles lange her, sie müssen das loslassen“.

Also Therapie? Nein, danke. Ich gehe auf meine Art und Weise damit um. Sicherlich ist das noch massig Luft nach oben, aber ich lebe. Ich habe eine wundervolle Tochter, einen guten Job, lebe in einem schönen Haus und habe ein paar Freunde. Aber ich gehe härter mit Ihnen ins Gericht, überdenke jede Aussage 25-mal und überlege am Ende jeden Tages wer mir wo schaden könnte und bereite mich schon auf den Tiefschlag vor.

Dass Menschen aufrichtig freundlich zu mir sind, ohne dass sie mir schaden wollen, glaube ich nicht. Das man mich so liebt wie ich bin, auch nicht. Nicht mehr. Jeder hat einen Preis. Und wenn dieser hoch genug ist, verkauft er nicht nur die Seele seiner Großmutter, sondern auch die mentale und psychische Gesundheit eines Freundes.

So jappse ich selbst einem Ideal hinterher, was vor 30 Jahren manifestiert worden ist und weitere 30 Jahre jeden Tag so bestätigt wird. Macht das glücklich? Definitiv nicht! Macht es unglücklich? Definitiv ja!

Also was ist die Lösung? Sagen „Scheiss drauf!“ und leben? Wenn es doch nur so einfach wäre. Ich kann noch nicht mal die Bedingungen nennen, die mich glücklich machen würden. Ist es Kleidergröße 36? Sind es perfekte Haare? Perfektes Make-up? Äußerlichkeiten? Vermutlich nicht. Es wäre nur ein Verstecken und Überdecken der Wunden, die nie heilen werden. Ein Schutzschild.

Und die Blicke der anderen sieht man immer.

Vielleicht hilft aber dennoch ein bisschen mehr Selbstliebe

P.S.: macht euch mal den Spaß und sucht, wie ich, auf Pixabay nach einem Beitragsbild. Erst sucht ihr Plus-size (mit oder ohne Bindestrich ist egal) und dann sucht ihr nach „fat“

Q.E.D

Fat Funny Friend

I break the ice
So they don’t see my size
And I have to be nice
Or I’ll be the next punchline

I’m just the best friend in Hollywood movies
Who only exist to continue the story
The girl gets the guy while I’m standing off-screen
So I’ll wait for my cue to be comedic relief

Can’t be too loud
Can’t be too busy
If I don’t answer now, are they still gonna need me?
Can’t be too proud
Can’t think I’m pretty
Do they keep me around, so their flaws just seem silly?

I say I’m okay
‚Cause they wouldn’t care anyway
And I could try to explain
But my efforts in vain
They can’t relate to how I’ve

Drawn out in Sharpie where I take the scissors
If that’s what it took for me to look in the mirror
I’ve done every diet to make me look thinner
So why do I still feel so goddamn inferior?

Can’t be too loud
And can’t be too busy
If I don’t answer now, are they still gonna need me?
Can’t be too proud and
Can’t think I’m pretty
Do they keep me around, so their flaws just seem silly?

Life of the fat, funny friend
Life of the fat, funny friend

It’s funny when I think a guy likes me
And it’s funny when I’m the one who says, „Let’s go to eat“
It’s funny when I’m asked to go out on Halloween
Dresses and thigh highs, while I hide my body

Can’t be too loud
And can’t be too busy
If I don’t answer now, are they still gonna miss me?

Can’t be too loud
And can’t be too busy
If I don’t answer now, are they still gonna need me?
Can’t be too proud and
Can’t think I’m pretty
Do they keep me around, so their flaws just seem silly?

Life of the fat, funny friend
Life of the fat, funny friend
Life of the fat, funny friend
Life of the fat, funny friend

I’ve drawn out in Sharpie where I take the scissors

Song by Maddie Zahm

01:56 Uhr

Die Welt brennt, gefühlt.

Ein Krieg, von dem wir dachten, dass er niemals stattfinden würde, findet vor unserer Haustür statt und der Protagonist in dieser Geschichte droht der Welt unverhohlen mit „Reaktionen, die die Welt noch nie zuvor gesehen hat“

Man kann sich jetzt streiten was der Despot und Kriegstreiber damit gemeint hat, aber sicherlich nicht Blümchenpflücken am Wegesrand mit der NATO und anschließendem Kaffeetrinken in geselliger Runde und Haare kämmen. Er droht also der gesamten Welt mit Vergeltung sollte man sich ihm in den Weg stellen. Dass solche Aussagen nur schwer zu ertragen sind, auch im gesamthistorischen Zusammenhang, ist normal.

Die Welt hatte zwei Weltkriege. Zweimal wurde die Welt von Leid und Millionen Toten bis ins Mark erschüttert. Ich kann mich noch daran erinnern, wie in meinem Geschichtsstudium der Professor fragte, ob etwas Gutes dabei herausgekommen ist. Ich finde die Frage ist nicht zu beantworten, da es keine „Was-wäre-wenn“ Betrachtung dazu in Frage kommt, weil es schlicht keine alternative Realität gibt.

Auch jetzt gibt es sie nicht.

Wie Annalena Baerbock sagte: „Wir sind in einem anderen Europa heute Morgen aufgewacht“

So überschlagen sich die Nachrichten. Social Media mutiert zu einem unerträglichen Moloch an Desinformationen, Despoten-Fanboys und Typen, die mit verstörenden Memes der ganzen Absurdität die Krone aufsetzen, gefolgt von Regimeträumereien von bestimmten Politikern und misanthropen Äußerungen zu Flüchtenden, die ja nur unser Geld wollen und Krieg kein Grund zu Flucht darstelle.

Wenn Krieg kein Grund zu Flucht ist, WAS DANN?

So saß ich gestern mehr fassungslos, sorgenvoll und mit zunehmender Angst vor dem Fernseher und lauschte den Ansprachen von Scholz und Biden. Völlig zwiegespalten in den Gedanken, bloß nicht den russischen Aggressor weiter zu provozieren und dem Wunsch ihm Einhalt zu gebieten. Beide Empfindungen die völlig konträr zueinanderstehen.

Währenddessen trudelten die ersten Nachrichten von Freunden ein, die im Ausland leben. Meine amerikanische Freundin bot mir direkt an, dass wir zu ihnen können. Am besten sofort, solange man Europa noch verlassen kann. Ein anderer Freund aus Spanien schrieb mich ebenfalls an, dass wir jederzeit bei Ihnen bleiben könnten. So sieht es aus, wenn die Bedrohung überall und vermutlich global wahrgenommen wird.

Diese freundschaftliche Geste machte das Herz aber nur schwerer. Was tun? Was ist richtig? Bleiben? Warten? Hoffen? Gehen?

Biden spricht und meine Tochter tanzt in ihrem Fledermauskostüm durch das Wohnzimmer und singt Lieder von Encanto mit. Diese Situation ist an Surrealität nicht zu überbieten. Ich entscheide mich ins Bett zu gehen, mit meinem Kind zu kuscheln, sie im Arm zuhalten, Disney zu gucken und mich runterzuleveln.

Meine Gedanken sind ein Konglomerat an Erinnerungen aus meiner Kindheit, als junge Erwachsene, als Ehefrau und später dann als Mutter. Es ist durcheinander und schwer zu greifen.

Ich bin Jahrgang 81, ich gehöre zu einer privilegierten Generation die nie Krieg erlebt hat. Der zweite Weltkrieg war lange vorbei, der Kalte Krieg ebenfalls. Allerdings sahen wir uns konfrontiert mit dem Golfkrieg und dem Kroatienkrieg. Der Terror durch den radikalen Islam nahm ich mehr wahr und spürte auch die direkten Auswirkungen. Ich saß in der Bahn, in der die Kofferbombe nicht hochging und ich war zwei Tage zuvor im Kölner Stadtarchiv, bevor dieses zusammenbrach. Gut, letzteres ist kein kriegerischer oder terroristischer Akt gewesen, aber man war gefühlt nah dran sein Leben zu verlieren. Dennoch habe ich mich in all den Jahren nie in meiner Existenz bedroht gefühlt. Ich hatte nie Angst, dass ein Wahnsinniger so unkalkulierbar ist und eventuell einen dritten Weltkrieg heraufbeschwört und auch noch mit nuklearen Vergeltungsschlägen droht. Und dennoch, alles in Allem, sind wir eine privilegierte Generation, die immer noch vom Wirtschaftswunder profitiert, von Großeltern die Deutschland wieder mit aufbauten, von Eltern die sich für die Emanzipation einsetzten und ja, auch für eine Demokratie sorgten und sie trugen.

All das Gute schien in den Moment bedroht, aber ich schlief ein.

Um 1:56 Uhr letzte Nacht durchbrach Sirenengeheul die Nacht. Ich saß senkrecht im Bett, in völliger Alarmbereitschaft, in Panik und Angst, während meine Tochter sich die Decke über den Kopf zog, weil es laut war. Und mal ganz platt gesprochen: abends ins Bett zu gehen, nicht wissend was heute Nacht passieren wird, weil man ihm alles zutraut, und dann so geweckt zu werden ist übel.

Ich registrierte in dem Moment nicht die drei hintereinander folgenden Töne. Tausend Bilder und Geschichten meiner Eltern und Großeltern über Fliegerangriffe, Bunker, Flucht und Tote brachen in meinen Kopf. Ja, und auch das ist Geschichte. Ich wuchs mit diesen Erzählungen auf. Mein Vater wurde 1936 geboren, meine Mutter 41.

Ein Großelternpaar erzählt so gut es ging von dieser Zeit. Sehr differenziert und selbstkritisch. Aber ich sehe heute noch die Panik in den Augen meiner Mutter, wenn sie Sirenen hört. Silvester ist für sie eine Qual.

Das andere Großelternpaar schwieg. Der Großvater trank, war gewalttätig und beging später Suizid im Haus meines Vaters.

Das sind alles Auswirkungen, die ein Krieg hat. Er entmenschlicht, er ist brutal, es gibt keine Gewinner, sondern nur Verlierer, er traumatisiert. Auch Generationen danach. Auf jeder Seite. Und natürlich möchte ich das meinem Kind ersparen, natürlich möchte ich das sie die Welt genau so sieht wie ich sie sah…unbekümmert und ein Ort mit mannigfaltigen Möglichkeiten sich selbst zu entdecken, ein Ort wo jeder das Recht hat das zu sein was er ist, ein Ort wo sie keine Angst haben muss.

Und obwohl diese Geschichten nun auch die gestrige Nacht befeuerten, ist es wichtig das ich sie habe. Das wir alle sie haben. Die Geschichte darf nicht vergessen werden. Das Leid, welches durch Krieg verursacht wird, darf nicht vergessen werden. Ja, es ist ein neues Europa und vermutlich auch eine neue Welt mit einer Bedrohung vor der eigenen Haustür.

Woran glauben wir noch?

Woran glauben wir?

Ich meine nicht im spirituellen Sinne oder im biblischen Sinne.

Nach über zwei Jahren Pandemie frage ich mich was übrig bleibt. Welcher Glauben, speziell für eine ganze Branche, bleibt übrig?

Was hat diese Pandemie angerichtet?

Vor mehr als zwei Jahren ist Covid-19 über uns hereingebrochen. Die ersten Gedanken waren beseelt von „wir schaffen das“ und ein unbändiger Zusammenhalt innerhalb der Medizinerblase. Man sog den Podcast von Christian Drosten förmlich auf, man machte Notizen dazu, wir gründeten Chatgruppen, man vernetzte sich, man tauschte sich aus, um möglichst schnell Informationen binnen Sekunden von A nach B zu bekommen, um die bestmögliche Versorgung unserer Patienten zu ermöglichen mit dem damaligen Wissenstand um Medikamente und Therapieoptionen.

„We’re all in it“

Wir waren alle bereit dieses kenternde Schiff mit seinen vielen, spontan auftretenden Löcher vor dem Sinken zu bewahren.

Wir arbeiteten uns den Hinter auf, wir lasen in unserer Freizeit neueste Daten und erste Studien. Unser Job dauerte plötzlich keine normale Schicht mehr, sondern war 24/7 präsent. Ich selbst telefonierte teilweise quer durchs Bundesgebiet nach Dienstschluss, um weitere Informationen zu bekommen, sich weiter austauschen zu können, welche Beatmunsparameter wann wo am meisten Sinn machten, um diese dann wieder in die eigene Klinik zu tragen, an jene die nicht so gut vernetzt waren. Das sah ich als meine Pflicht an, als meinen Beitrag in einer Pandemie.

Es war normal und es war selbstverständlich. Wir wollten den großen Schaden abwenden. Das ist das was wir immer getan haben und was wir tun wollten.

Menschen, die in die Medizin gehen, und da schließe ich die Pflege natürlich auch ganz bewusst mit ein, sind ein spezieller Schlag Mensch. Wie ich bereits einmal schrieb:

„Wir sind es gewöhnt über unsere Grenzen hinauszugehen, länger zu arbeiten, nicht alles stehen und liegen zu lassen, weil das Schichtende da war“

Gerade deswegen funktionierte das marode System so lange so gut. Wir haben uns freiwillig und gerne manchmal geopfert, wenn wir wussten, dass ein Mensch überleben kann. Was sind dann schon 1 oder 2 Stunden mehr auf der Uhr? Nichts! Das klingt heroisch, soll es aber gar nicht. Das war unser Alltag.

Nur was passiert, wenn diese freiwillige Bereitschaft weit über Grenzen zu gehen plötzlich verlangt wird, gesetzlich angedroht wird oder eben mit Füßen getreten wird?

Die ersten Welle Corona war geprägt von vollem Elan. Es gab nur eine verschwindend geringe Minderheit an Querdenkern, die damals noch nicht mal diesen Namen hatten, und sich gegen die Maskenpflicht auflehnten. Wir belächelten Sie damals, wird klärten aber unermüdlich auf, redeten mit wildfremden Menschen im Supermarkt die verzweifelt Desinfektionsmittel suchten, während wir in den Kliniken nicht genug davon hatten, und auch nicht genug Schutzausrüstung. Das Klopapier wurde knapp, Geschäfte schlossen und man sah die ersten Auswirkungen wie Menschen handeln, wenn sie dazu angemahnt werden auf ein Kollektiv Rücksicht zu nehmen. Der Ton wurde rauer, aber wir alle hofften auf den Sommer 2020. Aber nach dem Sommer 2020 war vor der zweiten Welle.

Gegner wurden lauter, aber noch nicht gefährlich. Wir schmunzelten weiter wenn auch deutlich irritierter.

Die Querdenkerszene bekam dann im Laufe der Zeit auch endlich ihren Namen angeführt von diversen Schwurbelkönigen die gerne um Spenden betteln, weil der Dackel vom Großvater das fünfte Mal in Folge gestorben ist und man sich ins Ausland absetzen musste, weil alle so böse zu einem waren. Hinterfragt wird das bis heute von deren Anhängern nur selten. Wer dies tut, fliegt im hohen Bogen oder wird bedroht. Man organisierte sich also auf Telegram, man demonstrierte und übte den Schulterschluss mit rechtsradikalen Kräften, weil „es ja ok ist, wenn man für die gleiche Sache kämpft“. Nein, es ist nicht ok sich mit dem braunen Sumpf zu solidarisieren nur weil man keine Maske tragen will oder zum Schutze der Allgemeinheit keinen Test machen lassen will. Und nochmal an dieser Stelle: ES GAB NIE EINE EINSCHRÄNUNG DER GRUNDRECHTE!!

Ich weiß noch nicht mal wo dieses Narrativ herkam. Ihr konntet reisen (gut, ihr musstet Bedingungen dafür erfüllen), ihr konntet raus, ihr durftet eure Religion ausüben, sofern gewünscht, ihr durftet euere Sexualität ausleben. Ich befürchte ja, dass sich an dieser Stelle niemals jemand von denen mit Grundrechten auseinandergesetzt hat. Wer gerne will, kann sich hier nochmal belesen:

https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01-245122

Und wir in den Kliniken sahen Menschen sterben. Junge, Alte, Vorerkrankte, Gesunde und auch Kinder. Wir wissen bis heute nicht, warum manche einen schweren Verlauf nehmen und manche eben nicht, obwohl die Ausgangssituationen nahezu identisch sind. So bleibt und blieb der Geschmack eines unberechenbaren Virus, dass potenziell tödlich verlaufen kann.

Die Hoffnung auf eine konsequente Politik das exponentiell wachsende Querdenkertum einzuschränken, eine Gesamtlösung für Deutschland zu präsentieren, verlief man sich im Föderalismus, man ignorierte die Wissenschaft und zog sich eher, wenn die Kacke so richtig am dampfen war, in Beratungen zurück und traf dann zeitverzögerte Entscheidungen, während wir in der medizinischen Versorgung litten.
Der eigene Antrieb mehr zu leisten als eigentlich möglich war, wurde durch hart diskutierte Verpflichtungen ausgebremst und kam zum erliegen als es ins Geschachere um Boni ging und dann auch noch die Ärzte*Innen dabei komplett vergaß.

Wir wurden erst beklatscht, dann verhöhnt, dann bespuckt. So wie man es seit Jahrzehnten mit der Medizin macht.

Und nun sind wir bei einer Diskussion in der Öffentlichkeit, ob man die Impfflicht für Pflegekräfte wieder abschafft. An dieser Stelle sei gesagt: ES GAB NIE EINE EXKLUSIVE IMPFPFLICHT FÜR PFLEGEKRÄFTE!! Es war immer eine Impfpflicht für ALLE die in diesem Bereich arbeiteten. Also auch die Chefarztsekretärin, die Reinigungskraft, den Haustechniker und vielen mehr. Aber es wird nur auf die Pflege reduziert. Und jetzt, wo man Angst hat das ein paar Honsel sich nicht impfen lassen wollen, hat man Angst, dass das System kollabiert. Ich sage es nur ungerne, aber das System ist vor knapp 2 Jahrzehnten zum Sterben verurteilt worden.  Über 20 Jahre haben kluge Köpfe aus Pflege und Medizin angemahnt, dass wir vor einem Kollaps stehen. Wir wurden belächelt, wir wurden ausgelacht.

So und nun zu der Eingangsfrage:

An was sollen wir bitte noch glauben? AN WAS?

Es ist schlichtweg egal was wir äußern, wo wir gemeinschaftlich etwas kritisieren. Es wird bewusst überhört. Wir sind egal. Man macht einfach immer so weiter, ignoriert alles und opfert uns auf dem Scheiterhaufen der politischen Eitelkeiten, wo das Zugeben von Irrtümern genauso fatal ist wie den Willen etwas politisch zu verändern, wenn man denn in seinem Amt bleiben möchte. Also halten die Akteure den Mund, kloppen hohle Phrasen, um den Medizinpöbel hoffentlich zu beruhigen. Nur was sie damit erreicht haben ist Resignation. Resignation vor einem nicht ändernden Albtraum, vor dem Bewusstsein, dass man selbst nichts ändern kann. Und genau diese Resignation ist schlimmer als alles andere. Wir haben nur noch stupide, arbeitende Menschen in einem Beruf der mehr verlangt als abarbeiten und präsent sein, der mehr verlangt als den Tacker von rechts nach links zu schieben oder eine Exceltabelle auszufüllen.

Wir arbeiten mit Menschen! Und was kann es schlimmeres geben als den Dienst damit zu beginnen, dass einem alles egal ist, weil kämpfen für eine bessere Zukunft eh nur sanktioniert wird. Wozu Kraft aufbringen für ein System, dem wir scheißegal sind?

Ich glaube nicht daran das jemals irgendwas besser wird. Eher genau das Gegenteil.

Ich glaube nicht mehr daran, dass es eine Pro-Pflege-Politik geben wird mit einem Bundesgesundheitsministerium, dass einen echten Change forciert und nicht nur schlechte Schönheitskosmetik mit noch schlechteren Gesetzen umsetzt.

Ich glaube nicht, dass die Pflege zu retten ist.

Also? Woran noch glauben? Denn irgendwann stirbt ganz sicher auch die Hoffnung.

Wem wir dankbar sein sollten..

Der Zeit Artikel ist nun online und ich möchte gerne noch was dazu loswerden..

Ich möchte euch erzählen wessen Erfolg es ist, dass es diese Umfrage überhaupt gibt.

Und das ist @Photocop22 auf Twitter gewesen.

Ich erinnere mich noch gut daran als Sie mich auf Twitter anschrieb, nachdem ein paar KollegInnen unter dem #RespectNurses unter anderem von körperlichen Angriffen berichteten, wie sie geschlagen, gekratzt oder getreten worden waren.

Ich sagte, dass es zwar subjektiv ist, aber vermutlich jeder Mitarbeitende in der Klinik einmal Gewalt erlebt hat oder zumindest sehr viele.

Ich berichtete von meinen eigenen Erfahrungen.

Sie hörte zu.

Sie fragte nach.

Sie hörte weiter zu.

Sie fragte nach dem Warum.

Warum es diese Übergriffe gab, warum es niemanden interessierte, warum es nicht angezeigt wird, warum wir nicht geschützt werden.

Sie las sich in Krankheitsbilder ein, sie fragte wieder nach, sie wog ab, sie war kritisch, sie recherchierte.

Abends dann, nach vielen Gesprächen kam von ihr die Idee, diese Umfrage zu machen, um harte Zahlen zu haben, ob es wirklich nur Anekdotenevidenz oder ob sich diese gefühlte Wahrheit belegen lässt.

Wir erarbeiteten gemeinsam diesen Fragebogen, änderten Ihn wieder ab, ergänzten ihn und gaben Ihn schließlich einer Doktorandin der Psychologie zum Absegnen um ganz sicher zu gehen, dass der Fragebogen klar, eindeutig, keinen Mist oder Fallstricke beinhaltete.

An diesem Punkt sei gesagt: Diese Freundin änderte nichts! Er war gut so wie er wahr. Auch an dieser Stelle an diejenigen die gerne behaupten dieser Bogen entspräche nicht gültigen Kriterien, weil wir ja angeblich nicht akademisiert sind, dem möchte ich gerne sagen, dass du keine Ahnung hast. Du willst deine Vorverurteilungen gar nicht los werden, du willst nur hetzen und stänkern.  

Wir brachten diesen Fragebogen also in die Welt, ließen ihn online und wurde schlussendlich von der Zeit in einen Artikel gefasst. Die Hasswelle des kleinen Mannes ließ nicht lange auf sich warten, was klar war. Das ist aber ein anderes Thema.

Das dieser Artikel also überhaupt verfasst werden konnte, dass jetzt Aufmerksamkeit auf dieses so wichtige Thema gelenkt wird, haben wir allein ihr zu verdanken. Ihren Nachfragen, ihrem Wissensdurst, ihrer Empörung, ihrer Energie.

Niemanden sonst.

Ich bin stolz auf sie.

Ich bin dankbar.

Wir sollten es alle sein!

Dein Zuhause braucht Urlaub

Dein zu Hause braucht Urlaub

So lautete der Titel eines Newsletters eines schwedischen Möbelhauses der mich heute erreichte. Sicherlich witzig und sollte darauf hinweisen, dass man doch mal frischen Wind in die eigenen vier Wände lässt und einen neue Wohlfühloase für sich und seine Liebsten schafft. Eine Umgebung, in der man gerne lebt, isst, liebt und lacht.

Ich gebe zu, ich habe den Newsletter erst nicht aufmachen wollen. Mich triggerte dieser Spruch ungemein.

Alles was ich dachte, nach über einem Jahr Pandemie, war

„Herr Gott, ICH brauche Urlaub, nicht mein zu Hause“

Die, die mich ab und an mal lesen, kennen meine Geschichte.

Für alle die, die sie nicht kennen:

Ich bin Krankenschwester, arbeitete die letzten Jahre auf Intensivstationen. Das letzte Jahr auch auf COVID ITS. Mit und an COVID Patienten, bis ich Anfang dieses Jahres den Beruf verlies, meinen Pflexit beging und nun in einem medizinnahen Umfeld arbeite, aber von zu Hause aus.

Seit Dezember ist meine kleine Tochter nicht mehr im Kindergarten gewesen. Das war eine bewusste Entscheidung. Mich erschreckten Berichte über Long-Covid bei Kindern, und sie tun es immer noch.

Als ich meinen Beruf verlies befanden wir uns noch in der zweiten Welle, zwar am Ende, aber es war noch die zweite Welle.

Heute ist die dritte Welle auf ihrem Höhepunkt. Und das Wort „Welle“ hat etwas Taktisches, etwas Ungutes angenommen. Es erinnert mich nicht mehr an die schöne Zeit am Strand, wo man aufs Meer hinausblickt, sondern an Krieg, an Angriffe, an Tod und Verderben. Und genau das ist es auch.

Ich lese Berichte, schaue mir Zahlen an, rede mit alten Kollegen, interagiere mit meiner Bubble und sehe meine Gefühle bestätigt. Es ist ein Kriegsschauplatz geworden und wird es auch bleiben. Aktuell sehen wir Bilder aus Indien und der neuen Virusvariante. Auch Kinder sind massiv davon betroffen.

„Ist doch weit weg“ lese ich ab und an.

Ich schüttele dann nur mit Kopf und habe aufgehört zu argumentieren, weil ich müde bin, weil ich weiß, dass ich diese Menschen eh nicht mehr erreichen werde in diesem Leben. Ich wünsche Ihnen dann alles Gute und das sie gesund bleiben. Zu mehr bin ich nicht mehr im Stande.

Ich habe zu viel Leid und Tod gesehen in den letzten Monaten.

Jetzt wo ich im Homeoffice sitze, darf ich mir gerne und oft anhören, dass ich ja in einer Luxussituation bin

„Du sitzt da schön warm und safe zu Hause mit deinem Kind“

Warm und safe mag stimmen, aber Luxus ist das nicht. Ich kann zwar entscheiden, wann ich aufstehe, ob ich in Jogginghose meinen Job mache, kann entscheiden, wie mein Kaffee heute sein soll, wann ich Pause mach (dass ich überhaupt eine machen kann und DARF ist echt toll), ich kann auf der Terrasse arbeiten bei schönem Wetter.

Wer diese „Eckdaten“ sieht, hat recht. Es ist eine Luxussituation.

In diesem ganzen Gefüge von Luxus zerbricht die Rechnung aber genau an einem kleinen aber zuckersüßen Faktor. Und dieser nennt sich „Kleinkind“

Ich bin stündlich hin und hergerissen zwischen „Sie muss in die Kita“ „Sie muss aber sicher sein“ „ich bin überfordert“ „Sie muss aber gefördert werden“ „Ich habe drei Videokonferenzen am Vormittag“ „Sie bleibt daheim“. In Gedanken dabei immer auf die Uhr schielend, dass doch bitte bald beim Gatten Feierabend ist, und er zügig nach Hause kommt. Oh, ist erst 9:30Uhr…tja, Pech auch!

Wer denkt Homeoffice und Kindererziehung eines Kleinkindes packt man mal eben mit links unter einen Hut, der irrt.

Ich kann ihr nicht vermitteln, dass sie sich jetzt mal 3 Stunden selbst beschäftigen muss. Ich kann ihr nicht sagen „So Mama arbeitet jetzt mal, bis heute Mittag machst du was Sinnvolles, ja? Hier haste Buntstifte und Papier. Bis später!“

Nein, das geht nicht. Sie hat ihre ureigenen Bedürfnisse die ich tagsüber als Mutter erfüllen muss, während ich auch noch arbeiten muss. Homeoffice ist für Kinder ein völlig abstraktes Konzept. Vorher war „arbeiten gehen“ das „Haus verlassen, wiederkommen“. Wenn man dann zu Hause war, hatte man ausschließlich Zeit für den Nachwuchs. Dass ist aber so nicht möglich, wenn man von zu Hause arbeitet.  Das ich die Möglichkeit habe ist großartig, Wahnsinn und ich bin meinem Chef unendlich dankbar, dass er mich trotz der widrigen Umstände eingestellt hat, mir die Chance gegeben hat. Allein dafür müsste ich Ihm jeden Tag zehn Kuchen backen, einen Porsche kaufen und die Malediven erwerben. Meine Kollegen, sind ebenfalls toll. Sie sind geduldig, lassen die Kurze winken und reden. Das rechne ich Ihnen hoch an, da es nicht selbstverständlich ist. Auch Ihnen gebührt ganz viel Dank an dieser Stelle.

Sie ist aber nun mal in einer Phase wo sie gefördert und gefordert werden muss. Das ist das was jeden Tag die Pädagogen in der Kita machen und auch nichts ist was man mal eben so mit links macht. Da stehen Konzepte hinter die uns als Eltern nun mal nicht mit Entbindung als Handbuch mitgegeben werden und eine Lösung in jeder Situation bieten.

Sie wird jetzt fünf. Sie kommt von sich aus an und möchte lesen, schreiben und rechnen können. Ist toll, und das freut einen als Mutter auch, aber das ist nichts was mal eben zwischen Tür und Angel gemacht werden sollte oder eben zwischen zwei Videokonferenzen oder am besten noch während einer. Diese Phase ist eine vulnerable. Die Chance etwas zu versauen ist groß.

So wird man niemanden gerecht.

Also steht man jeden fucking Tag im Zwiespalt mit sich, der eigenen Verantwortung, den eigenen Wünschen für das Kind, dem schlechten Gewissen gegenüber dem Nachwuchs und dem dringenden Wunsch dieses Kind vor allem schlechten dieser Welt zu schützen, sie bewusst keiner Gefahr auszusetzen, körperliche Schäden in Kauf zu nehmen, wenn ich sie eben doch zu Hause betreuen kann. Mit Abstrichen aber immerhin. Nur wie viele dürfen es sein?

Die Gedanken rasen dazu und es geht mir nicht gut damit.

Weil ich selbst keine Lösung habe, ich nicht drauf warten kann, dass einer eine Lösung für mich als Mutter findet und weil ich niemanden diese Entscheidung aufdrücken will.

An dieser Stelle sei gesagt, wenn unser Kreis eine zielführende Teststrategie für Kinder hätte, wäre ich beruhigter und würde sie vermutlich in die Kita geben.

Haben wir aber nicht. Es kommen nicht genug Tests an, man baut auf Freiwilligkeit und sorry, aber wir haben Querdenker Eltern bei uns, die schon zu Beginn der Pandemie laut losbrüllten, dass sie sich niemals testen lassen werden, weil der Staat eine Diktatur ist. Und ich soll jetzt drauf vertrauen, dass diese Eltern ihre Kinder selbstständig und freiwillig testen? Wir wissen ja schließlich alle: Was nicht getestet wird, gibt es auch nicht. Ist wie mit Fieber, wer nicht misst, hat auch kein Fieber. Ganz sicher nicht. Lassen Sie sich da nichts anderes erzählen.

Aber so werden wir Eltern allein gelassen.

Warum nicht die Kinder in der Kita testen mittels Corona Mobil oder was weiß ich? Wer die Kinder nicht testen lassen will muss sein Kind wieder mitnehmen und gucken, wie er Betreuung organisiert. Pech gehabt eben. Aber neeee man baut darauf das sich alle vernünftig verhalten. Das ist genau diese Vernunft, die uns die zweite Welle, die dritte beschert haben und auch eine vierte bescheren wird.  Sechs, setzen, lieber Kreis.  Aber so kann man dann auch sagen, es gab keine Ausbrüche in den Kitas. Eine Kontaktverfolgung ist so aber auch nicht möglich.

Und für die, die es noch nicht wissen: Momentan liegen die Eltern der Kinder auf den Intensivstationen. Die Kinder mitaufgenommen in den Kliniken oder durch Angehörige betreut oder, im schlimmsten Falle, durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht.

Freiwilligkeit und Vernunft und Apelle bringen uns nichts mehr.

So sitze ich also in meinem Vollzeit Homeoffice Job, werden einem Kind tagsüber nicht gerecht, nachmittags dann auch nicht, weil ich kaputt bin vom Denken, vom Telefonieren, vom Reden, von allem.

Ich kann aber auch nicht mal irgendwo hin, um Kraft zu tanken. Meine Batterien sind tiefentladen und nicht mehr nur leer. Ich brauche Urlaub. Urlaub vom Dauerfeuer, von der Pandemie, von meinem Zuhause, von all dem Irrsinn, von all dem Nicht-verstehen-wollen um mich rum, vom Kopfschütteln, von all den Tränen. Urlaub, um eine Lösung zu finden.

Vielleicht braucht mein Zuhause doch einen Urlaub, aber von mir. Aber so war das sicherlich nicht vom blau-gelben Riesen gedacht. So bleibt weitermachen wie bisher, drauf bauen, dass es bald eine Impfung für Kinder gibt, die nicht einer Kosten-Nutzen-Analyse unterliegt, auf helle Köpfe beim Kreis, die die Testpflicht einführen und das es überprüft wird, darauf das dieser Albtraum Pandemie bald vorbei ist. Für uns alle. Für jeden Einzelnen.

Vom Fehlen…

Mir fehlt der Mensch.

Der Mensch mit all seinen Facetten.

Sein Lachen, seine Trauer, seine Zuneigung, seine Liebe, seine Freude.

Schaut man in die Gesichter (sofern man sie noch erkennen kann) erkennt man Stress, Hektik, Spuren von Angst & Panik, Verzweiflung. Das bringt die Zeit einfach mit sich. Es ist das Ungewisse was uns lähmt.

Wir vergessen ein Stück Mensch zu sein, auch bei Fremden.

Wir gehen auf Distanz, schauen von weit entfernt in grimmige Gesichter, nehmen nicht mehr in den Arm, drücken keine Hände mehr, trösten nicht mehr wenn Verzweiflung den leeren Raum erfüllt. Als Intensivschwester nicht mehr die Angehörigen zu trösten in ihren schwersten Stunden, bricht mir das Herz.

Die Distanzregel ist absolut sinnvoll aber wird dürfen nicht vergessen Mensch zu bleiben, teilzunehmen an Schicksalen. Wir dürfen nicht verrohen und Emotionen abtun, nicht drauf hoffen „Es geht schon von alleine wieder. Wir müssen da alle schließlich durch“ . Oft geht es eben nicht von alleine. Daher ist es genau jetzt wichtig zuzuhören, zwischen den Zeilen zu lesen, Tonvariationen und Höhen der Stimme zu interpretieren, nachzufragen. Es ist nicht gut sich dahingehend zu isolieren. Der Mensch selbst lebt von Emotionen, egal wie diese gelagert sind, aber daran wächst er, lernt damit umzugehen, dafür braucht er Feedback, jemanden der reflektiert und diese Emotionen aushält.

Mir selbst fehlt die körperliche Nähe ganz oft und wenn ich daran denke, was gerade nicht geht zerbricht innerlich ein kleines Stück von mir.

Mir fehlen Umarmungen, das Festhalten, das „ich will dich nicht loslassen“, die Verabschiedungen und die damit verbundene Freude sich bald wiederzusehen.

Alles ungewiss.

So bleiben geschriebene Nachrichten, wenige Sprachnachrichten und das Schärfen der Sinne für eine aus den Fugen geratene Stimmung beim anderen.

Und obwohl das alles vielleicht niederschmetternd klingt freue ich mich auf den Tag wo es sich wieder ändern wird. Mein inneres Kind wird diesen Moment zelebrieren, sich schmücken, das schönste Kleid tragen und vor Freude vielleicht weinen während es ganz aufgeregt und hüpfend auf die erste Umarmung wartet.

Und dann, dann endlich wieder in Ruhe schlafen kann. Eingemummelt und angelehnt an eine imaginäre Brust und friedlich schlummernd weiß „Hier bin ich sicher, hier kann ich endlich wieder sein wie ich bin, du hast mir gefehlt“

„Du fehlst mir“, eine Aussage die man selten sagt weil sie viel verrät. Sie drückt aber aus wie wichtig ein anderer Mensch für uns ist.

Warum sagen wir das eigentlich nicht öfter? Gerade jetzt? Ist es die Angst zu viel von sich zu offenbaren, schwach zu wirken? Unerwachsen? Kindisch? Zu emotional?

Vielleicht… aber in Zeiten wo eine Umarmung nicht ausdrücken kann was man empfindet, ist eine „du fehlst mir“ die Umarmung der Seele.

Du fehlst mir….

Mensch sein

Ich habe Angst. Sehr viel sogar. Nicht um mich.

Eigentlich bin ich kein panischer Mensch und völlig rational, zum Leidwesen meiner Mitmenschen, manchmal zu rational. Das hilft mir aber meinen Job machen zu können.

Es ist nicht so, dass mich Schicksale nicht bewegen, ich nicht um Menschen trauere. Ich mache es nur auf meine Art und Weise. Alleine.

Als die ersten Nachrichten zu Covid-19 kamen, war ich nicht beunruhigt. Nach China folgte der Iran und Italien mit Horroszenarien. Medizinisches Personal arbeitet seit dem bis zum Umfallen, und das ich leider nicht metaphorisch gesprochen. Es passiert wirklich so. Sie sterben genauso wie ihre Patienten, es wird nur selten erwähnt. Erschöpfung ist das Schlüsselwort.

Die Welt folgte und stand plötzlich in Flammen. In oft prognostizierten Flammen aber der Funke wurde lang vorher ignoriert, und wird er jetzt noch. Wir alle haben die Auswirkungen unterschätzt.

Ich war bis zu einem gewissen Punkt wirklich entspannt. Ich kenne „Kriegsschauplätze“ an denen das medizinische Personal zerbricht, habe sie selbst gesehen. Ich weiß was ich kann und was nicht, dass schafft Sicherheit. Für mich, für meine Kollegen und für meine Patienten.

Aber was wenn ich mal die innere Krankenschwester ausschalte und meinen Gedanken freien Lauf lasse und an die Menschen denke die um herum existieren?

Dann ist da Panik und Angst. Dann sind da Tränen. Dann ist da Wut.

Am schwersten wiegt die Angst um geliebte Menschen, dass sie nicht unbeschadet durch diese Zeit kommen, denn, sind wir uns einig, so etwas gab es bisher nicht, und wir kennen den Ausgang nicht.

Du wägst plötzlich ab wer Probleme bekommen könnte, wer zur Risikogruppe gehören kann, wen es treffen kann. Es schnürt einem bisweilen den Hals zu und das Atmen wird schwer.

Und so mutiert ein „Pass auf dich auf“ zu etwas Neuem. Zu etwas mit viel mehr Bedeutung, zu etwas was viel tiefer blicken lässt, zu einem „ich liebe dich“, zu einem „du bist wichtig für mich“. In Zeiten wo Worte zur Belastung werden können und ungesagt bleiben müssen um nicht noch mehr Druck auf sein Gegenüber auszuüben und der Anschein erweckt wird von „bitte, du musst für mich weiter existieren“ . Dennoch ist es wichtig für jeden zu wissen, dass man eben nicht alleine ist und man Hoffnung auf ein Danach hat, egal wie dieses Danach eben aussieht. So werden wichtige Worte gegen harmlosere ausgetauscht um nicht weiter Angst zu verbreiten, nur eben mit stark veränderter Bedeutung.

Es ist eben die drohende Erschöpfung die mich sorgen lässt. Das medizinische Personal ist eine seltsame Spezies. Wird sind es gewohnt weit über die Leistungsgrenze zu gehen, unsere eigenen Bedürfnisse zu ignorieren, das Wohl des Patienten ganz in unseren Fokus zu stellen. Wir gehen eben nicht bei laufender Rea nach Hause, selbst wenn schon längst Feierabend ist. Wir fragen, bevor wir nach Hause gehen, ob wir noch helfen können und machen das dann auch. Manche gehen weiter als andere und müssen ab und an etwas gestoppt werden, weil sie sich selbst vergessen. Ich gehöre selbst dazu.

Die Krankenschwester in mir beschwichtigt, lächelt, drückt imaginäre Hände, umarmt in Gedanken und ist zuversichtlich für alle anderen.

Dabei ist mein Bestreben eigentlich diejenigen die mir wichtig sind weit fort zu bringen von diesem Irrsinn und in Sicherheit zu wissen. Um mich mache ich mir da nach wie vor keine Sorgen, das wäre auch unüblich für mich.

Gut, dass es nur Wenige gibt die nach dem anderen Teil in mir fragen.