Keine Angriffsfläche

Wie gerne würde ich euch erzählen wer ich wirklich bin, wie ich ticke, wie sehr mich manche Kommentare, Nachrichten und Bilder verletzen. Ich kann es aber nicht.

Zunehmend erkenne ich wie ich alte Muster annehme und mich immer weiter in mich selbst zurückziehe, wie ich geliebten Menschen nichts über mich verrate. Und wenn ich es dann doch tue ein schlechtes Gewissen habe, dass ich sie belästige. Immer in der Angst das ich „zuviel“ bin oder über bin.

Ich schreibe gerne. Sehr gerne sogar. Gedichte, Kurzgeschichten. Drei Romane und diverse Kindergeschichten liegen hier, sind nie veröffentlich worden, weil ich mich nicht traue, weil es mich angreifbar macht.

Warum ich mich zurückziehe? Ich postete ganz am Anfang kurze, kleine Fabeln auf Twitter die nicht zuviele Zeichen hatten. Es fühlte sich gut an. Ich liebte jedes einzelne Wort, weil es eben meine Worte waren. Dann kam aber der Tag an dem es ein Kommentar völlig zerriss. Er machte sich lustig, erhielt mehr likes für dieses Spott als der Tweet itself. Danach unterließ ich es solche Sachen zu posten. Es hatte mich massiv verletzt und ich blieb still. Wäre es jemand fremdes gewesen, hätte es mich noch nicht mal gejuckt, aber es war jemand den ich sehr schätze.

Ich widmete mich zunehmend der Pflegepolitik und kleinen lustigen Tweets aus dem Alltag einer Krankenschwester, aber über mich selbst sagte ich nichts mehr.

Oft sitze ich vor einem Tweet und verwerfe ihn wieder weil er zuviel verrät. Über mich, über diejenigen die ich liebe, über meine Empfindungen, meine Gedanken, meine zunehmende aber selbstgewählte Isolation.

Ich bin nur zu kappen 10% mein Account. Der Rest bleibt verborgen.

Ich zeige euch das was ihr sehen dürft, kreiere ein Bild für euch, spiele den Klassenclown.

Ihr erlaubt euch eine Meinung, die ich euch sicherlich zugestehe, aber es ist eben nur eine Momentaufnahme nicht das gesamte Bild, nicht die gesamte Person. Es wird aber über das Gesamtbild geurteilt. Ich lese empathielos, kalt, herzlos und währenddessen kann ich die Patienten nicht mehr zählen die ich unter meinen Händen verloren habe und im Anschluss bitterlich in einer stillen Ecke weinte. Ich zähle nicht mehr die Überstunden die ich nicht aufschrieb, die ich bei meinem Patienten blieb damit er nicht alleine sterben musste weil sich Familien zerstritten hatten. Ich zähle auch nicht mehr die Stunden die ich arbeitete, dabei kaum laufen konnte, kaum meine Arme spürte und trotzdem jedem mit einem Lächeln begegnete und ein „Ach..pfff…alles halb so wild“ sagte oder eben gänzlich schwieg.

„Selbst schuld“ mag der ein oder andere jetzt denken. Kann man, ja. Ob man es sollte ist etwas anderes.

Nicht zur Last fallen; Niemanden belästigen, keine Angriffsfläche für andere schaffen ist da immer mein Kredo gewesen.

Ich wähle ganz oft das Alleinsein. Bewusst. So muss ich nicht meine Gedanken teilen oder laufe Gefahr das ich ein schlechtes Gewissen bekomme wenn sich jemand Zeit für mich nimmt.

Jeder hat nicht nur ein Päckchen zu tragen, sondern ganz oft ganze Wagenladungen an Paketen. Das weiß ich, weil ich Menschen vorher reden lasse bevor ich auch nur ein Wort von mir erzähle. Ich wäge dann ab was ich freigeben kann und will und was der andere tragen kann. Den Beschluss nichts zu teilen liegt dann begründet in Rücksichtnahme auf die diversen Schicksale die mir begegnen. Mein Adresse, meinen Namen und meine Telefonnummer zu kennen, sagt nichts über mich aus.

Und dann, ab und an, kommt doch was persönliches. So wie gestern.

Es war nur ein Zitat von einer französischen Schriftstellerin.

Ob ich mir dabei was gedacht habe? Mag sein oder auch nicht. Die Nachrichten die mich aber genau dazu erreichten sind dann doch zu viel gewesen. Wen ich damit meinen würde, was ich damit sagen wolle, warum ich genau DAS JETZT gepostet habe. Es wurden sogar Zusammenhänge mit der Uhrzeit angestellt.

Es geht niemanden etwas an, es ist ein Bruchteil von mir. Ein Stück aus meinem Herzen und ich bin es leid für etwas ganz persönliches von mir ausgequetscht zu werden, denn am Ende interessiert es nicht wirklich wer oder was ich bin, für was ich stehe, für was ich bete, was ich mir wünsche, warum ich nachts nicht schlafen kann, warum ich Albträume habe, warum ich gerne alleine durch den Wald laufe und warum ich fest an den einen Menschen glaube der zu einem gehört, der für dich geschaffen worden ist und ich nichts anderes gelten lasse.

Meine Träume, meine Wünsche und Hoffnungen bleiben besser bei mir.

Menschenleben

Ich lese, ich überlege, ich recherchiere, ich formuliere, ich lösche, ich schreibe neu, ich überlege erneut und bin am Ende immer betroffen.

Ich beantworte geduldig nahezu jede Anfrage an mich. Zur Pflegepolitik, zur Ausbildungsreform, zu persönlichen Erfahrungen und auch versuche ich immer eine Antwort zu finden, wenn es ums allgemeine „Auskotzen“ geht.

Es wird immer mehr aber ich bin nicht genervt. Erschöpft ja, manchmal.

Ich realisiere zunehmend, dass ich Menschenleben auf irgendeine Art und Weise berühre, vielleicht nur am Rande, sekundenweise, für einen einzigen Moment, aber ich nehme Einfluss.

Ich bin Krankenschwester, Pflegefachperson wie es jetzt neuerdings so schön heißt, ich habe tausende Menschen durch meine Hände wandern sehen. Tausenden die Hände geschüttelt, habe warme Worte übrig gehabt, habe viele ermahnt, ihnen Ratschläge gegeben, sie bewertet, sie auch ab und an mal angemault. Das passiert, ich bin schließlich auch nur ein Mensch.

Und ganz oft frage ich mich welchen Benefit oder Impact ich für den Einzelnen hatte, ob sein Leben schlechter oder besser durch mich wurde, ob ich zu einem Wendepunkt beigetragen habe oder ob meine Mühen einfach nur Schall und Rauch waren.

Ich erinnere mich an eine Begegnung vor knapp zwei Wochen als ich an einer Raststätte an der Autobahn anhielt und getankt habe.

Es war Samstag, es regnete und es war relativ früh. Hinter der Kasse stand eine Frau, irgendwas um die 50 würde ich schätzen. Sie war gestresst und traurig, warum war nicht klar. Ich schaute auf Ihr Namensschild wo ich den Namen Maria las. Was sie nicht weiß, ich werde diesen Namen nicht mehr vergessen. Sie schaute mich kurz an, versuchte zu lächeln, aber ihre Augen verrieten etwas anderes. Sie wollte nicht dort sein in dem Moment, nicht an diesem Ort und auch nicht mit mir. Ich nahm ihr das nicht übel.

Da ich die einzige Kundin zu dem Zeitpunkt war, brauche sie nicht fragen welche Zapfsäule meine war und sagte mir direkt den Betrag den ich zahlen sollte.

Ich lächelte sie an und gab ihr das Bargeld. Sie war derart irritiert ob meines Lächelns, dass ich diesen Gesichtsausdruck nicht mehr vergessen werden.

Ich gab ihr das Geld und schob mit meinem Lächeln ein „Bitte“ hinterher. Weiterhin sah sie mich einfach nur an, als hätte seit Jahren niemand mehr ein freundliches Wort für sie über gehabt, geschweige denn ein Lächeln.

Sie nahm das Geld stumm an und gab das Wechselgeld heraus.

„Vielen lieben Dank“ antwortete ich, drückte ihre Hand und wünschte ihr zusätzlich einen stressfreien Tag sowie einen schönen Sonntag.

Maria brachte innerhalb von einer Sekunde das breiteste Lächeln in ihr Gesicht was ich je gesehen habe und ich konnte sehen, dass ich für einen winzigen Bruchteil ihr Leben in dem Moment verbessert hatte. Ob es nachhaltig ist, vermag ich nicht zu sagen, aber der Moment war wichtig. Für sie, für mich.

Manchmal sind es die kleinen Dinge die etwas verändern und etwas Schönes hervorbringen. Vielleicht hatte Maria danach einen besseren Tag, vielleicht war sie danach weniger traurig, weniger gestresst, vielleicht waren die Arbeitsstunden danach etwas erträglicher. Ich weiss es nicht, aber ich habe ein Menschenleben berührt in diesem Moment und es nachhaltig nicht geschädigt. Das ist nicht selbstverständlich in der heutigen Zeit.

Die Menschen, generell, neigen dazu sich eher zu verletzen und geringschätzig zu behandeln als Ihnen das Gefühl der Akzeptanz und des Respekts zu vermitteln. So als würde jedes Quäntchen Unglück das wird verursachen, uns unserem Glück ein Stück näher bringen.

Ich möchte so nicht sein. Ob mir das immer gelingt, wage ich zu bezweifeln. Auch ich bin manchmal ungerecht. Das nicht zuzugeben wäre eine absolute Fehleinschätzung der eigenen Person. Der Unterschied ist aber, ob man sich entschuldigen kann für seine Ungerechtigkeit, setzt natürlich voraus, dass das auch erkannt wird.

Ich reflektiere meinen Tag, evaluiere ihn für mich selbst und bewerte ihn. Ich spreche mit Freunden, meinem Mann und höre mir Kritik an und versuche so, etwas ungerechtes dann wieder gerecht zu machen. Das fällt natürlich nicht immer leicht. Aber was ist schon leicht am Erwachsensein?

Und so lese ich alles was man mir zukommen lässt, mit dem Bewusstsein das ich ein Menschenleben berühre, es verändern könnte und maßgeblich eine Entscheidung beeinflussen kann oder den Blickwinkel verändere. Dem sollte man sich immer bewusst sein.

Der Grat zwischen verkacken und „gut hinbekommen“ ist schmal. Gerade dann wenn man nicht mehr den persönlichen Kontakt hat und sich lediglich auf geschriebenes Wort verlassen muss. Aber ich versuche es immer so neutral wie möglich und damit wertfrei zu lesen und dann auch so zu antworten. Manchmal sind es dann die Inhalte zwischen den Zeilen die etwas ändern.

Die Nachrichten die mich in den letzten Wochen erreichten, kamen zunehmend von Azubis aus der Pflege mit Fragen nach Ratschlägen, Tips, Ausbildungsinhalten, Prüfungsthemen und Geschichten aus dem Alltag.

Ich höre Ihnen allen zu, scheinbar tun es nur wenige oder keiner.

Und in jedem Moment wo ich antworte und schreibe ist mir bewusst, dass jeder seine eigene Maria ist, der man nur im richtigen Moment zur richtigen Zeit einfach nur ein Lächeln und die richtigen Worte sagen muss um den Tag ein bisschen besser zu machen. Ihnen das Gefühl gibt „ich sehe dich, ich nehme dich als Person wahr“.

Ich hoffe immer das es hilft und ich etwas Gutes geschafft habe, aber am Ende bin ich immer betroffen und packe es in meinen Tag und nehme es mit ins Bett.

Gerne würde ich noch sagen „Du bist wichtig, so wie du bist, lass dir das nicht nehmen“, schreibe es aber nie. Warum weiß ich auch nicht.

Daher hier:

„Du bist wichtig, so wie du bist, lass dir das nicht nehmen!“

#WirHabenEineStimme

Warum redet niemand MIT uns?

Die Pflege und ihre Fürsprecher….das ist ja immer so ein ganz heikles Thema.

Fangen wir aber mal von vorne an. Die Pflege ist in Deutschland zerstritten.

Wir sind eine eigene Profession, die ihre eigene Evidenz hat und wir sind längst vom schmückenden Beiwerk zu einer eigenständigen, emanzipierten, starken Berufsgruppe herangewachsen.

Sollte man meinen. Ist aber leider nicht so.

Deutschlands Pflegekräfte sind so uneins wie nie zuvor.

Auf der einen Seite stehen junge, hochmotivierte, akademisierte Pflegekräfte, die die Pflege als Profession voran bringen wollen, sie weiterentwickeln wollen, sie loslösen wollen vom Althergebrachten, von Barmherzigkeit und Empathie emanzipieren wollen. Weit fort von „Wir machen es für ein Lächeln“

Auf der anderen Seite steht eine Armada an alten Pflegekräften, die ausgebrannt und hoffnungslos sind, die seit Jahren in einem System gefangen sind, das immer und immer wieder Versprechungen gemacht hat, Geduld gefordert hat und erpresst hat a la „aber denk bitte an deine Patienten“ und dabei ganze Generationen kaputt gespart hat. Sie sind wütend ob der neuen Emanzipationswelle, ob der Freiheit die sich eine ganz neue Generation herausnimmt, ob der eigenen Machtlosigkeit und ob der eigenen Lethargie. Auch weil man sie schlichtweg im Stich gelassen hat. Ganz pathetisch und in diesem Kontext fällt mir der Filmtitel „Gottes vergessene Kinder“ unabhängig vom Inhalt ein. Mehrere Generationen sind von der Politik verlassen worden. Ihre Verdrossenheit ist bedingt nachzuvollziehen.

Diese Gruppe trägt aber momentan noch das System mit und fordert ihre jahrelange Opferbereitschaft auch von der neuen, jungen Generation ein.

„Damals, also bei mir war das noch ganz anders“

„Da musst du jetzt durch!“

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“

„Wenn du mal fertig bist mit deiner Ausbildung und ein paar Jahre im Beruf bist, kannst du mitreden!“

Oft treffen jungen, motivierte Kollegen, sofern noch nicht gänzlich durch die Ausbildung demotiviert, auf ein älteres Team die oft jedweden Fortschritt blockieren, demoralisieren und Erneuerungen ablehnen. Ein homogenes Gefüge gibt es selten, ebenso wie ältere Fachkräfte die die jungen stärken und unterstützen. Dem gegenüber stehen ebenfalls junge Kräfte die laut sein wollen und müssen, was ändern wollen, sich aber nicht trauen auf Grund von Repressalien und Mobbing innerhalb des Gefüges. Alteingesessene Teams schotten sich gerne ab, weil es so schön behaglich in ihrer Blase ist und diese Ruhe bitte nicht gestört werden sollte. Man hat sich irgendwie arrangiert, erträgt und wartet weiter ab. So brennen auch schnell gerade eben die jungen Kollegen aus.

Diese Uneinigkeit ist mit ein Grund dafür warum Pflege nicht selbst für sich spricht. Jene die wollen erfahren keine Rückendeckung oder werden schlichtweg als zu jung wahrgenommen, was völlig absurd ist. Aber gerade im Bereich der Pflege schlägt die Eminenz oft noch die Evidenz. Manchmal wundere ich mich wie wir es geschafft habe uns von „Eisen und Föhnen“ zu emanzipieren.  Die jüngeren Kollegen finden noch nicht immer ihre Kanäle und wenn Sie sie finden, werden sie beäugt als wären sie der neue Staatsfeind Nr. 1, während die Älteren dasitzen und in ihrer Lethargie und ihrem Meckermodus versinken. Das System wird angeprangert, aber es steht niemand mit längerer Teamreputation auf und greift unter die Arme.

Du mit deiner Evidenz!“ 

Ein oft gehörter Satz. Wieviel er kaputt macht ist kaum zu beziffern. 

Diejenigen die sich weiterbilden und FÜR die nächste Stufe der Professionalisierung eintreten, brauchen einen langen Atmen und ein dickes Fell. Sie kämpfen nicht gegen Windmühlen, aber gegen Angst, Unsicherheit, Traditionen und Unwissen. Unsichtbare Feinde sind nur schwer zu kontrollieren.

Und während die Zerrissenheit der Pflege weiter absurde Stilblüten treibt und wir uns öffentlich über Begrifflichkeiten streiten, werden Ärzte, Kassen, Juristen und Arbeitgeberverbände vor die Kamera und in die Presse gezogen um ihre Meinung zur Pflege darzulegen. Es gibt Interviewanfragen, aber an eben jene, mit der Bitte die Pflegesituation zu beleuchten und Ursachenfindung zu betreiben. 

Ich kann die Interviews mit Dr. med. als Ansprechpartner zur Pflegesituation nicht mehr zählen und ich will sie langsam auch nicht mehr zählen.

Daher die völlig ernstgemeinte Frage: 

Wann hört man auf ÜBER uns zu sprechen, anstatt MIT uns?

Wir haben längst hochqualifizierte Ansprechpartner in fast jedem Bereich und trotzdem werden wir ignoriert. Schmückt sich der Beitrag einer Tageszeitung oder der Boulevardpresse besser mit einem Doktor in der Schlagzeile?

Wir können Einschätzungen liefern anhand von aktuellen Studien, können Prognosen erstellen, den Pflegenotstand und seine Entwicklung in jeder Facette beleuchten und dessen Entstehung belegen.Alles ganz wissenschaftlich.

Aber das ist vielleicht zu wenig „Herz“ zu wenig „Emotion“, zu wenig „Lächeln“, denn das ist uns leider schon vor ein paar Jahren ausgegangen.

Fakt ist, die Pflegemisere beleuchtet durch die Pflege, ist nicht erwünscht oder die Fähigkeit diese rational darzustellen wird uns als nicht vorhanden unterstellt.

Ich verurteile dieses Vorgehen massiv!

Ein Arzt in der Klinik bekommt sicherlich einen etwas besseren Eindruck von diesem Zustand, als ein niedergelassener Arzt, und trotzdem steht er nur daneben und kann es nicht in seiner Gänze erfassen. Wie auch? Sie sind mit ihren eigenen Defiziten die das System hervorbringt beschäftigt und ich nehme es Ihnen nicht übel.

Der Vorstand einer Krankenkasse ist gänzlich unfähig die Situation zu beurteilen. Da kann man eher den Pförtner in einer Klinik befragen. Das mag ironisch klingen, ist aber mein völliger Ernst.

Also nochmal. warum fragt man nicht uns?

Sollte das Argument sein, es mangelt an Ansprechpartner, so versichere ich gerne, dass die Recherche nach diesem insuffizient gestaltet worden ist.

Ist es die Angst vor etwas Unbequemen? Die Angst öffentlich als Medium ein heisses Eisen anzufassen mit einem ungewissen Outcome?

Ja, das Thema ist unbequem!

Ja, das Thema tut weh!

Aber manchmal geht es nicht ohne Schmerzen.

Ich erwarte von den modernen Medien, dass sie genauso so an Fortschritt interessiert sind, wie die junge Generation der Pflegekräfte jetzt auch, und die althergebrachten Zöpfe abgeschnitten werden und endlich wahrnehmen das es keinen Doktor der Humanmedizin braucht um  für die Pflege zu sprechen.

Es gibt uns, und wird sind nicht wenige!

Dem Umstand sollte endlich Respekt entgegengebracht werden und hilft sicherlich der Pflege anders wahrgenommen zu werden, auch innerhalb der Pflege selbst.

Nehmen Sie endlich den Arzt als Sprachrohr der Pflege aus ihrem Repertoire, sonst wird die unbewegliche Gruppe der Pflegekräfte sich weiter hinter der Medizin verstecken und die neue Generation an Pflegekräften weiter nicht ernst nehmen.

Zollen sie der Emanzipation bitte den Respekt den sie verdient.

Sonst wird das nichts.

Für euch

Stets beliebt: Jahresrückblicke! Kann man ganz allgemein halten, die soziale Situation anprangern, die Politik in den Fokus rücken oder ganz persönlich gestalten.

Ich halte mich lieber an Letzteres! Mein Großvater sagte immer, dass man besonders am Ende des Jahres, ehrlich zu sich und seinen Mitmenschen sein sollte, um den Kopf für Neues frei zu bekommen, um Platz im Herzen zu schaffen, um die Seele zu reinigen und um zu akzeptieren das Dinge nun mal geschehen und man es oft einfach geschehen lassen muss um Glück zu finden. Wie dankbar ich für diese Worte gerade dieses Jahr bin, kann ich ihm nicht mehr sagen, aber sie gewinnen heute Überhand. Kitschig, was?

Also was war 2019 für mich? Kurzum: Ein absolutes Hoch und Tief an Emotionen, an Ereignissen, an Entscheidungen, an Begegnungen.

Die Begegnungen bedingten die Entscheidungen und die Emotionen. Sie rissen mich mit und ließen mich oft mehr als ratlos zurück, mich selbst nicht wiedererkennend.

Aber es waren auch diese Begegnungen die mich stärkten, mich umarmten, mir sagten das alles gut wird, dass ich Träume verwirklichen soll, mich schubsten, mich aufhielten, mich nahmen wie ich bin, mich akzeptierten, mich schüttelten und mich am Ende doch liebten für das was ich bin.

Es war ein Begegnung die mich Anfang des Jahres ins Medizinstudium schickte, mit dem einfach Satz „Machs einfach“ und ich keine Begründung fand warum ich es nicht machen sollte. Das mir die Worte und Argumente ausgehen ist selten, aber bei diesem Menschen geschieht es regelmäßig, auch wenn ich ein „Lebensaufgabe“ bin. Ich danke dir für alles was du „angerichtet“ hast und ein Teil meines Herzens wird immer dir gehören weil ich dir dankbar auf unendlich vielen Ebenen bin. Du weißt das ich dich dafür immer lieben werde.

Das Twankenhaus folgte und ich lernte unfassbar tolle Menschen kennen, die an einer gemeinsamen Utopie fürs Gesundheitswesen arbeiten. Das, wofür ich im beruflichen und privaten immer alleine kämpfte traf auf eine Gruppe und ich fühlte mich weniger „machtlos“. Dieser Verein ist mehr als eine Ansammlung von illusionären Geistern, dieser Verein bedeutet Zukunft. Zukunft für ein marodes System, Zukunft und Hoffnung für eine ganze Berufssparte die jeder kennt aber völlig am Rande einer insuffizienten Politik steht und zusehen muss wie es tagtäglich schlechter wird. „Wir motzen nicht, wir bieten Lösungen“. DAS ist es was uns ausmacht! Absolut einmalig in diesem System, weil wir multiprofessionell sind und das auf Augenhöhe. Ich lieb euch alle für das was ihr seid! Jeden Einzelnen!

Eine weitere Begegnung folgte Mitte des Jahres und riss mich völlig mit, auf jeder Ebene. Es war ein bissl so als wenn ein Sturm auf unbefestigtes Land trifft. Es trifft dich, verwüstet deine Landstriche, bringt Mauern zum Einsturz und hinterlässt ein Trümmerfeld. Ich war auf dich nicht vorbereitet, selbst wenn man mich gewarnt hätte, ich hätte es abgetan und gesagt „Wird halb so schlimm werden“ und hätte keine Schutzmaßnahmen getroffen. Du brachst also über mich herein, hinterließt das besagte Trümmerfeld. Ich war wütend, auf dich, auf mich, auf Gott und die Welt. Wie oft ich dich verflucht habe und mich gleichzeitig bei mir selbst dafür entschuldigt habe, kann ich nicht mehr zählen. Das Chaos war dir irgendwann selbst bewusst aber du bliebst und ich fand Ruhe. Bei mir, an meiner Seite, warst du selbst die notwendige Schadensbegrenzung, ganz ohne Worte, weil du einfach nur da warst. Jeden Tag seitdem. Du bist Anker und Sturm gleichzeitig, aber ich habe gelernt damit zu leben, mal schlechter, mal besser. Wir reden nicht darüber und dennoch wissen wir um dieses Ereignis. Machmal braucht man aber auch keine Worte, es sind oft auch nur Kleinigkeiten und das Wissen das man jemand anderem wichtig ist.Es ist ein bisschen so, als würde man gemeinsam auf das Meer gucken, ruhig, entspannt, lächelnd. Du bist derjenige der es schaffte, ganz ohne Mühe, den Mörtel aus meiner Mauer zu kratzen und ich ließ es zu ohne die nächste Mauer hochzuziehen. Für das Chaos mache ich dich nicht verantwortlich, daran bin ich selbst schuld, aber ich bin glücklich das du es warst und bist. Du bereicherst jeden Tag und ich bin dankbar für das was wir haben und auch nicht haben. Wo es mich hinbringen wird oder dich, weiß ich nicht aber ich glaube fest daran das es seinen Sinn hatte. Dafür gehörte dir schon immer mein Herz, ich wusste es nur nicht.

Ich fand einen anderen wunderbaren Menschen. Ein Misanthrop so sagt er selbst, aber er gehört zu den wunderbarsten Menschen die ich je kennenlernen durfte und ich bin stolz darauf ihn Freund nennen zu dürfen, auch wenn das jetzt wahrscheinlich schon wieder übergriffig ist. Wenn du das hier liest: Für dich stehe ich auch nachts um drei ohne Diskussion auf wenn`s sein muss. Du bist ein toller und warmherziger Mensch. Lass dir von niemandem was anderes erzählen und ich wünsche dir alles Glück der Welt. Wenn es einer verdient hat, dann du! Unsere Telefonate sind jedesmal eine Bereicherung, dümpeln von tiefsinnig , zu albern, zu ernst, zu Blödsinn und ich lache mich jedesmal kaputt und meine Welt ist in diesen Stunden ein besserer Ort. Danke dafür! Ich möchte davon keine Minute mehr missen.

Es folgten so viele weitere fabelhafte Menschen auf Twitter die mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich mag jeden Einzelnen von euch auch wenn ich von vielen gar nicht den Namen kenne. Eure privaten Nachrichten, eure Tweets, eure Replies machen Twitter irgendwie zu einem zu Hause und ich bin gerne bei euch, auch wenn euere Musikempfehlungen wirklich wirklich richtig schlecht sind…mit wenigen Ausnahmen.

ES IST EBEN NICHT NUR TWITTER!

Ich verbrachte tolle Stunden mit euch, im virtuellen Leben und im echten Leben. Wir lachten, wir trauerten, wir schüttelten den Kopf, wir sahen uns ganz ungeschminkt mit zerzausten Haaren, wir stritten und vertrugen uns wieder. Ihr wisst wer ihr seid und auch euch liebe ich von Herzen. Auch wenn es zwischenzeitlich Differenzen bezüglich der richtigen Backwarenbezeichnung gibt oder ob Sesam auf eine Pizza gehört oder nicht. Am Ende ist nur wichtig, dass man gerne beisammen ist und gemeinsam miteinander lachen kann. Ich umarme euch alle und bleibt bitte so wie ihr seid. Ihr gehört ausnahmslos zu den Besten.

Kommt gut ins neue Jahr! Wir sehen uns dann drüben.

Rechtschreibfehler dürfen wie immer behalten werden .

Was mich an meine Grenzen bringt

Wir haben November. Es ist kalt, es regnet und die Bäume haben nahezu alle Blätter verloren. Eigentlich wäre heute Uni und mikroskopische Anatomie angesagt, aber das kann ich mir heute leider knicken.

Die KiTa des Schmühs hat heute geschlossen, eine Alternative gab es nicht. Der Gatte kann sich leider kein Frei nehmen da durch die obligate Urlaubsplanung seiner Firma alle Urlaubstage so weit verplant sind das nur wenige zur eigenen Verfügung stehen und selbst geplant werden können.

Willkommen in 2019!

Ich sitze hier und verstehe, ehrlich gesagt, die Welt nicht mehr.

Wir haben 2019 und leben immer noch in einer gedanklichen Welt von 1950 wo Mutti schön zu Hause blieb und sich um den Nachwuchs kümmerte oder in den 80er wo Kinder eher zur Bespaßung in die KiTa gebracht worden sind und Schließungen für Team-Sitzungen kein Problem waren, weil das Frauenbild noch so gestrickt war das man zu Hause war.

Wir haben 2019! Das Rollenbild sollte sich längst verändert haben und in allen Köpfen sein. Frauen gehen arbeiten und/oder studieren, suhlen sich nicht vormittags auf dem Tennisplatz und treffen sich anschließend mit der BFF zum Kaffee oder lassen sich die Nägel machen.

Tja, das ist meine Annahme und die entspricht leider nicht der Realität.

Unsere Tochter ist eine der wenigen Kinder die den ganzen Tag in die KiTA geht und für mich stellen kurzfristige Ausfälle ein Problem dar. Der soziale Background ist nicht vorhanden und ich fange an zu rotieren. Letzte Woche ebenfalls ein kurzfristiger Ausfall im Nachmittagsbereich. Ich verstehe, dass Teambuilding und Sitzungen wichtig für die KiTa und das Team sind aber für mich ist auch die Betreuung wichtig die dann ersatzlos ausfällt.

„Na dann nimm sie doch mit in die Uni!“ Sicherlich wäre das eine Alternative, geht aber nicht wenn ich mit Chemikalien oder irgendwelchen pathogenen Keimen im Labor hantieren muss. Und das geht auch zu Recht nicht.

„Gib sie doch zu einer anderen Mutter, die auch zu Hause bleiben muss!“ Ähm… Nein! Vielleicht ist das nächstes Jahr eine Option aber zur Zeit nicht. Das hat nichts damit zu tun das ich sie nicht loslassen kann, sondern ist eher den äußeren Umständen geschuldet. Ich möchte einer anderen Mutter, die ich nur kurz kenne, nicht die Bürde der Verantwortung für ein fremdes Kind aufdrücken.

„Wie du gehst arbeiten?“ Öhm…bei dem Satz guckste auch nur spärlich in die Röhre, besonders dann wenn eine Ausführung der unfassbaren schwierigen Lebensumstände des Gegenübers kommt, dass eine nachmittägliche Schließung der KiTa zum Verschieben des Nageldesign Termins geführt hat. First World Problems par excellence!

„Ach du studierst auch noch….reicht dir das Gehalt deines Mannes nicht?“ Dieser Satz ist auf so vielen verschiedenen Ebenen widerwärtig das ich brechen möchte! Ich habe nicht geheiratet um mich von meinem Gatten aushalten zu lassen, die Füße hochzulegen und einfach mal nichts zu machen. Ich finde nicht die Erfüllung im Haushalt und darin das die Fenster besonders blank geputzt sind und ich vom Fußboden essen kann. Ich will und wollte mehr! Ich will Weiterentwicklung auf jeder Ebene und ich will das Beste für mich, einfach weil ich es verdient habe. Ganz zu schweigen von dem was meine Tochter dadurch als Input erhält: Frauen können alles in dieser Welt erreichen was sie wollen und können unabhängig von einem Mann existieren!

„DU wolltest das so, also leb` damit und beklage dich nicht!“ Ja, ich wollte dieses Kind! Ja, ich wollte das Studium! Aber das mir mehr als nur ein Knüppel zwischen die Beine geschmissen wird, habe ich nicht bedacht und auch nicht gewollt! Und was zur Hölle soll immer dieses „beklage dich nicht?“ Heißt das jetzt, nur weil ich mir etwas so ausgesucht habe, darf ich es nicht mehr als schwierig erachten und drüber reden? Darf ich mich nicht mehr mitteilen und hoffen bei einem anderen Menschen auf Gehör zu stoßen und vielleicht eine Lösung zu finden? Müssen wir Mütter das wirklich immer ALLEINE und bitte STILLSCHWEIGEND hinnehmen nur weil wir ein Kind geboren haben? Bissl bescheuert der Kommentar!

„Also bei mir läuft das ganz wunderbar“ (hier bitte Text einfügen über die tolle familiäre Situation und wie schick das alles bei dem anderen läuft). Ich weiß, dass das nicht böse gemeint ist aber es gibt mir das Gefühl die falsche Wahl beim Ehemann und der Familienplanung getroffen zu haben. Schön wenn es bei euch top läuft, aber eine Darstellung dessen brauche ich nicht und macht mich ehrlich gesagt traurig und ich fange an zu bedauern das es bei mir nicht so ist. Spart euch diese Kommentare bitte.

Aber das ist ein generelles Problem in unserer Gesellschaft! Frauen wird immer noch unterschwellig die Verantwortung übertragen, bei manchen mehr, bei einigen weniger!

Nochmal: Wir haben 2019! Väter gehören zu diesem Konzept genauso wie eine Mutter, gleichberechtigt, sofern vorhanden…oder eben auch andere Lebensmodelle (bitte nicht falsch verstehen) Das sollten auch die Arbeitgeber verstehen. Wer jetzt schreit „Dann muss der Mann sich einen neuen Job suchen!“ hat es leider auch nicht verstanden. Wir sind hier nicht bei „Wünsch-dir-was!“ eine Anstellung die seit fast 20 Jahren besteht, kündigt man nicht. Aber ich erwarte als entfernte Betriebszugehörige das man von seinem traditionellen Familienbild abrückt und auch Männer stärkt, ihre Rolle als Vater überhaupt wahrnehmen zu können, wenn sie es wollen.

Ich bin müde, sehr sogar! Ich kämpfe hier oft gegen Windmühlen und fühle mich allein gelassen mit der ganzen Organisation, mit dem Lernpensum, mit der Erziehung (wobei das nur subjektiv ist) Ratschläge der Familie empfinde ich als blanken Hohn weil sie immer wieder darin gipfeln das ICH viel zu viel will und im Sinne der klassischen Familie den „Medizinluxus“ doch bitte an den Nagel hängen soll….Als Mutter macht man das schließlich nicht.

Doch genau das macht man als Mutter! Ein gutes Vorbild für den Nachwuchs sein, zeigen das es auch eine Welt abseits des klassischen Frauenbildes gibt und das man alles schaffen kann, egal wie widrig die Umstände auch sein mögen.

Wenn man etwas erreichen will, schafft man das auch….irgendwie. Und trotzdem darf ich an meine Grenzen kommen und das auch so sagen! Wir haben 2019!

Schweeeestaaaaa…oder warum uns Begriffe nicht retten werden!

Ich mache mich ja gerne unbeliebt wenn ich sage, dass ich Schwester XY bin und das auch so nach Außen vertrete.

Aber mal von Vorne. Ich bin eine waschechte Krankenschwester, eine der Letzten sozusagen, mit einem Examen von 2002 (ja, Tatsache…so alt bin ich schon). Die Ausbildung war damals völlig anderes gelagert, mehr im medizinischen weniger im pflegerischen und Evidenz konnte damals noch nicht buchstabiert werden. Man hatte rudimentäre Ahnung davon, dass „Fönen und Eis“ nicht mehr das Mittel der Wahl bei Dekubitusbehandlung ist, konnte es aber eben nicht belegen. Wir arbeiteten in Wirklichkeit mit „Anekdotenevidenz“ und „althergebrachten Methoden“ die die Jahrzehnte irgendwie überdauert hatten.

Die Aufmerksamkeit lag auf der ärztlichen Assistenz, nichts weiter. Wir wurden als hübsches Beiwerk wahrgenommen über dessen Anstellung teilweise noch Chefärzte entschieden.

Kaum zu Glauben, dass das erst 20 Jahre her ist.

Das ist aber meine Zeit gewesen. Ich habe damals geflucht über die tägliche Erniedrigung durch die pflegerischen Kollegen und auch durch die Ärzte. Ich war und bin ein denkender Mensch und wollte als solcher wahrgenommen werden. Ich hinterfragte, erschloss mir selbst Inhalte, las Fachzeitschriften, las Bücher, ging in den Diskurs, zweifelte an und sagte auch mal „Nein“

Ich wurde wahrgenommen, ich wurde nach langen Diskussionen respektiert, ich rüttelte Kollegen auf, meine Meinung war plötzlich relevant…aber bei der Ärzteschaft, nicht bei den pflegerischen Kollegen und meine Ausbildungszeit glich damit eher einem Spießrutenlauf.

Ich hatte Einsätze, da träumen die Azubis heute von und nahm alles an Wissen mit, was ging. Nie hatte ich das Gefühl, gerade bei den sooft verhassten Ärzten, unwillkommen zu sein, ganz im Gegenteil. Ich verknüpfte Medizin mit Pflege und argumentierte auf Augenhöhe. Während andere, damals noch „Schüler“, das Essen austeilen durften, durfte ich mit zur Visite, Verbände mitmachen, Untersuchungen begleiten, Blut abnehmen, erstmalig Ultraschall machen etc.

Das Azubis heute gezielt Inhalte vorenthalten werden und Einsätze gestrichen werden führt dann auch mal dazu das eben jene nicht wissen warum eine Magensonde nach Gastrektomie NICHT nach dem Dislozieren wieder durch die Pflege platziert werden darf. Und daran ändert auch eine andere Berufsbezeichnung nichts.

Während sich aber unsere ärztlichen Ausbilder über meinen Einsatz freuten, entglitten dem Pflegepersonal oft die Gesichtszüge, was auch dazu führte das ich direkt nach meinem Examen erstmal meinen eigenen Pflexit vollzog um mein Abi zu machen.

Ich wollte weiter, Stillstand war der größte Feind, aber das „Schwester“ blieb und ich fand es nicht schlimm, war das doch eben meine Bezeichnung.

Der Gesundheits,-und Krankenpfleger kam, löste den Schwerpunkt auf Krankheiten ab und die Prävention rückte in den Mittelpunkt, wortwörtlich. Es veränderte aber nicht das, was wir eh schon immer machten. Patienten zur Gesunderhaltung beraten. Die Evidenz kam nun hinzu und man hatte ein Werkzeug für seine eigene Profession, aber das „Schwester“ blieb bei mir.

Ich fühlte mich wohl mit der Bezeichnung und tue es auch jetzt noch. Es ist ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Berufsgruppe, zu einem Tätigkeitsfeld. Letztlich ist der Begriff auch etwas schützenwertes. Vielleicht ein Relikt aus alten Tagen, wo die Schwestern eben noch wirklich Ordensschwester waren und die Aufopferung im Vordergrund stand. Darüber sind wird aber schon lange hinweg und die Gesellschaft nimmt das auch so wahr. Man weiß um die Intensität und die Belastung die wir tagtäglich ertragen müssen und das wir uns nicht mehr aufopfern für die Sache an sich.

Jetzt, im Zuge der Ausbilungsreform wird uns wieder eine neue Bezeichnung gegeben. Pflegefachmann oder Pflegefachfrau. Und trotzdem wird uns damit nicht automatisch mehr Anerkennung entgegengebracht und mir weniger als als „Schwester“

Anerkennung erarbeitet man sich ganz individuell. Nur weil ich einen schicken neuen Titel habe, sagt das nichts über den Inhalt, und der Inhalt dieser Ausbildung ist schlecht, und wird die Pflege in Misskredit bringen.

Was mir immer wieder auffällt, dass gerade viele Kollegen, egal ob ärztlicher Dienst oder Pflege, gezielt fragen ob man noch „Schwester“ sei oder GuK und die Wahrnehmung sich plötzlich ändert wenn man sagt man sei „Krankenschwester“

Das „Schwester“ avanciert zum Qualitätsmerkmal.

Ich habe auch kein Problem damit, wenn sich jemand mit dem Nachnamen vorstellen will, das ist sein gutes Recht, ich tue das nicht. Ich arbeite in einem kleinen Haus und mein Nachname ist durch meinen Schwiegervater bekannt und nicht sehr häufig hier. Mit „Schwester XY“ bewahre ich mir meine Anonymität und die mir wichtige Distanz, was aber nicht heißt das ich dadurch weniger professionell wahrgenommen werde oder mich gar für meine Patienten aufopfere.

Wir werden das Problem der Pflege nicht mit neuen Begrifflichkeiten ändern, wenn der Inhalt nicht stimmt. Die „Lagerung“ des Patienten wird auch plötzlich nicht besser oder effektiver wenn wir es nun „Positionierung“ nennen, das geschieht nur dadurch das wir wissen warum wir das tun und WIE wir das tun. Alles andere ist kleinkarierte Scheisse die uns nur vom Wesentlichen abhält und zwar von der Professionalisierung insgesamt, und die wird eben NICHT durch die Änderung eines Begriffes passieren.

Die Weglauftendenz wurde zur Hinlauftendez weils positiver klingt…ernsthaft? Wenn ich irgendwo hinlaufe weil es mir Angst macht, laufe ich vor etwas weg. Der Inhalt ist der Gleiche, klingt jetzt aber schöner.

Begrifflichkeiten werden uns nicht retten, Inhalte, Evidenz und Hochschulbildung und ein ändern des Bildes was die Politik vermittelt, dann ist auch „Schwester“ nicht schlimm, sofern es je schlimm war. Aber momentan haben wir nichts anderes selbst in der Hand um etwas zu ändern, also erhängen wir uns an Begriffen und zerfleischen uns gegenseitig wegen Bullshit!

Also lasst doch den „Schwestern“ den Begriff wenn sie es wollen, ist doch völlig wumpe. Sie ist dadurch nicht besser oder schlechter. Die schlechte Konnotation hat allein die Pflege selbst hervorgebracht, niemand sonst.

Hilfe…ich studiere Medizin

Alarm in der Medizin-Studi-WhatsApp-Gruppe….die Gruppen für die Seminare sind heute bekannt gegeben worden.

Ich atme tief durch ob der Neuigkeit, setze mich an den Laptop und gucke auf das schwarze Brett der Uni wo es veröffentlicht worden ist. Ich suche hektisch nach meinem Studentenausweis und der Matrikelnummer, ärgere mich kurz über das völlig bescheuerte Foto und beginne die Liste nach meiner Nummer abzusuchen.

Die Liste ist lang und ich ertappe mich kurz dabei wie ich denke, dass meine Nummer sicherlich nicht dabei ist…..und dann steht sie da! Gruppe 7.

Ich halte inne. Gruppe 7!

Ich lehne mich zurück, atme wieder tief durch und merke wie mir schlecht wird, greife nach dem Studentenausweis und realisiere schlagartig das ich Medizinstudentin bin.

Es ist Freitagabend und Montag beginnt dieser Traum nun endlich in Erfüllung zu gehen und ich sitze da und bin völlig gebannt von dieser Erkenntnis, so als hätte man mir heute den Bescheid zukommen lassen. Es ist real!

Ich werde Ärztin! Das ist gruselig, beängstigend, fruchteinflößend, atemberaubend, einschüchternd und lässt mich demütig werden.

Ich habe Angst vor dem Studium, davor das ich scheitern werden, dass ich gut bin aber nicht gut genug sein werde, dass ich an diesem Traum zerbreche und ihn begraben muss.

„Scheitern ist keine Option“ sagte ein Freund. Ich weiß wie diese Worte gemeint waren auch die folgenden Worte „Disziplin, Disziplin, Disziplin!“ Das ist seine Art an meinen Arbeitswillen und meinen Perfektionismus zu appellieren weil er weiß, dass ich ein Arbeitstier bin, mir selten Ruhe gönne und ist der nötige Tritt in den Hintern um nicht völlig in Panik auszubrechen. Ich bin dankbar für diese Worte, auch wenn sie vielleicht harsch sind, aber sie sagen mir „Du schaffst das, ich glaube an dich!“

Ich sitze also hier und starre auf diese Liste die es greifbar macht das ich ab Montag auf dem Weg zur Ärztin bin und die Worte hallen in meinem Kopf.

Also krame ich meine Disziplin aus der Schublade und organisiere mein Leben für die nächsten Monate und strukturiere den Familienablauf, plane Lernzeiten, Arbeitszeiten, Ruhephasen, wäge ab, strukturiere neu und lege mein Leben für die nächsten sechs Monate fest.

„Du musst nicht alles im ersten Anlauf schaffen!“ ist ein weiterer Satz den ich oft höre.

Nein, muss ich sicherlich nicht. Aber ich will es! Ich will beweisen, dass ich nicht zu alt, zu sehr Mutter, zu sehr arbeitende Krankenschwester bin um das nicht zu schaffen. Ich will mir selbst und anderen beweisen, dass selbst die widrigsten Umstände im Leben mich nicht daran hindern etwas großartiges zu schaffen und über sich hinauszuwachsen.

Ich werde also Ärztin. Ich studiere Medizin. Ich werde das schaffen, weil scheitern keine Option ist.

Warum wir eine Familie sind

Was ist ein Familie?

Also mal ganz abstrakt gedacht.

Eine Familie ist ein Haufen „wildfremder“ Menschen, die zusammengewürfelt werden und dann miteinander auskommen sollen. Die sich an Weihnachten und in Stresssituationen irgendwie zusammenreißen müssen um zu funktionieren. Sicherlich gelingt das Einigen besser, anderen eben nicht, andere Familien zerbrechen an der Last die sie tragen, andere finden sich gar nicht zurecht und brechen aus.

Nicht nur die Genetik macht uns zu einer Familie, auch der Beruf

Und das im besonderen Maße in der Medizin.

Da prallen oft Welten aufeinander.

Da ist der nette ältere Herr, der sich weise in seinem Sessel zurücklehnt und das wilde Treiben von Außen betrachtet und die Geschehnisse von weiter weg analysiert, sich zurück nimmt und bei Bedarf immer ein offenes Ohr hat. Ähnlich dem Chefarzt (jaaa, ich weiß auch das die nicht immer ganz nett sein können!)

Dann gibt es da die gestresste Mutter, die passend zu Weihnachten, versucht es allen Recht zu machen, jeden Wunsch zu erfüllen versucht und selbst ihre eigenen Wünsche für die Familie an den Nagel hängt, sich darüber aber nicht beklagt und es als Selbstverständlichkeit hinnimmt. Ähnlich wie die Stationsleitung oder die Oberärztin die sich beide um den Nachwuchs kümmern und ihnen beiseite stehen.

Dann gibt es da noch den jungen Familienvater der sich auf Weihnachten freut, über das Geschenke verteilen, über strahlende Kinderaugen, sich darüber freut seiner Frau einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen aber von dem Gedränge und den schlaflosen Nächten erschöpft ist und eigentlich nur ganz tief in seinem Herzen Ruhe haben will und sich zwischen beiden Bedürfnissen verausgabt und es ihn innerlich fast zerreißt. Ähnlich wie dem Facharzt oder berufserfahrenen Pfleger auf Station die schon vieles gesehen und Dienste am laufenden Band geschoben haben. Jene, die die jungen Kollegen noch an die Hand nehmen, Verantwortung haben und sich selbst in der kindlichen Unbeschwertheit wiederfinden oder wiederfinden wollen.

Dann gibt es da die jüngere Schwester, die gerade mit ihrer Ausbildung fertig ist aber mit der Entscheidung hadert und nicht weiß ob das alles das Richtige war und sich nicht anvertrauen will. Die still in der Ecke sitzt, an ihrem Glas Wein nippt und dem Trubel zuschaut, sich manchmal erhebt um zu interagieren aber nicht so recht wahrgenommen wird und ein bisschen vernachlässigt wird. Ähnlich dem jungen Assistenzarzt oder der frisch examinierten Kollegin die noch ihren Platz finden müssen und Angst haben etwas falsch zu machen sich aber nicht anvertrauen wollen.

Dann gibt es noch den jungen Bruder der auf gar nichts Bock hat aber gezwungen worden ist an diesem Fest teilzunehmen, völlig genervt ist und einfach nicht dabei sein will, der lieber feiern gehen will oder sich in seinem Zimmer verstecken will bis die ganze Horde wieder das Haus verlassen hat. Ähnlich dem Auszubildenden oder Studenten dessen Lebensmittelpunkt einfach noch ein anderer ist und der erst noch mit dieser engen Familiensituation als Erwachsener zurecht kommen muss. Irgendwie eben erwachsen aber mit dem Herzen eines Teenies der noch nicht loslassen kann und noch den Kokon braucht.

Dann gibt es die völlig durchgeknallte Cousine, die laut ist, die forsch ist, die sich noch vorm Anrichten ein Stück vom Buffet klaut, fast den Tannenbaum umstößt, den Wein verschüttet, kichert und lacht. Jene die zwar irgendwie im Mittelpunkt zu stehen scheint, aber die nicht wirklich wahrgenommen wird wenn Sie dann doch mal in sich gekehrt am Fenster steht und dem Schneetreiben zuguckt und sich Sorgen macht wie nachher alle nach Hause kommen weil sie alles sind was sie hat und an den Vater erinnert wird den sie bei einem Unfall im Winter auf der Autobahn verloren hat. Ähnlich der Assistenzärztin oder der pflegerischen Kollegin die morgens in den Visiten immer Krach machen, zu jedem Witz bereit sind, aufmerksam sind aber deren wahre Besorgnis um die Familie und Patienten verborgen bleibt weil sie nicht drüber reden wollen oder können.

Wir sind in jeder Lebenslage ein wild zusammengewürfelter Haufen die eben durch Arbeit oder Verwandtschaft miteinander verbunden sind aber jeder Einzelne hat sein Berechtigung, jeder ist wichtig, jeder trägt seine eigene Geschichte mit sich rum die manchmal nur schwer zu erkennen ist.

Und trotzdem funktionieren wir wenn es darauf ankommt als Familie. Egal ob der Braten an Weihnachten verbrannt ist oder eben der Notfallpatient der uns in die Notaufnahme oder die Intensivstation gespült wird.

Wir arbeiten Hand in Hand, kennen uns und auch irgendwie nicht, aber wir geben unser Bestes. Und am Endes des Tages bleibt die Erinnerung an etwas Gemeinsames, an vielleicht Lustiges, an Trauriges, an Stressiges.

So vergehen die Tage, Monate und Jahre, man schafft Erinnerungen und Basis. Man wächst weiter zusammen und sieht die kleinen feinen Nuancen , erkennt warum manche Menschen sind wie sie sind und man lernt sie so zu nehmen wie sie sind aber man weiß, dass man sich drauf verlassen kann. Es wird einem bewusst das man auch den Verschrobensten lieb gewonnen hat und ihm blind vertrauen kann.

Das macht Familie aus!

Und am Ende sitzen wir dann doch alle zusammen am Tisch und erinnern uns an Vergangenes, lachen uns an und lieben das was wir haben. Wir sagen es nur nicht so offen!

The first one

Es ist 4 Uhr morgens..

….als mein Handy klingelt.

Ich erschrecke ein wenig und ärgere mich kurz darüber, dass ich es nicht auf lautlos gestellt habe. Zum Glück, wie sich noch herausstellt.

Ich drücke auf „Annehmen“ und sage „Hallo?“

Das Erste was ich vernehme ist Schluchzen und bin schlagartig hellwach. Ich schaue erneut auf`s Handy und registriere den Namen der ärztlichen Kollegin.

„Steffi* (Name geändert), was ist los?“ Ich sitze kerzengerade im Bett und werde unruhig. Ehemann und Kind liegen selig schlummernd neben mir im Bett als ich das Telefon vom Ladekabel trenne und eilig das Schlafzimmer verlasse, dabei das Telefon am Ohr und höre wie Tränen fließen.

„Steffi, sag was los ist!“ fordere ich sie auf.

Sie kann kaum atmen und wird immer wieder durch ihr eigenes Weinen unterbrochen. Ich höre zu, sage ihr das ich da bin und ihr zuhöre, sie sich aber kurz beruhigen soll, damit ich verstehe was los ist.

Sie sammelt sich für zwei, drei Sekunden und sagt fast erstickend das sie ein Kleinkind bei einer Reanimation verloren hat, es nicht retten konnte.

Ich setze mich auf die Treppen im Hausflur, es ist dunkel und kalt, und ich merke wie mir die Kälte weiter in die Knochen kriecht. Ich atme tief durch.

„Wo bist du jetzt? Ist jemand bei dir?“ frage ich.

„Noch im Krankenhaus. Dr. M ist hier“ schnieft sie.

„Gib ihn mir bitte mal!“ sage ich und höre wie das Telefon weitergereicht wird. Ich höre wie er knapp abreißt was passiert ist. Er atmet ebenfalls tief durch. Ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste was einem passieren kann und selbst der Härteste mag daran verzweifeln. Manche zeigen das, manche nicht. Das schwere Ausatmen und die langezogenen Sätze zeigen mir das auch er mitgenommen ist, sagt aber im nahezu gleichen Atemzug, dass er den restlichen Dienst übernimmt und Steffi nach Hause schicken will.

Er reicht das Telefon zurück.

„Steffi du kommst jetzt vorbei. Ich mache Kaffee!“ Sie nickt, ich kann es hören. Dann wird aufgelegt. Ich kann kaum aufstehen so schwer drückt mich dieses Wissen runter aber ich weiß das sie da jetzt nicht alleine durch kann und Hilfe braucht.

Ich gehe in die Küche und setze Kaffee auf. Mein Mann kommt kurz runter und fragt was los ist. Ich erzähle ihm kurz was passiert ist. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn, nickt und sagt leicht lächelnd „Du weißt schon, dass du nicht die unbequeme Schwester bist, oder?“

Ich lächle. Ja, das weiß ich. Ich gebe es nur nicht gerne zu.

Seelenstriptease um 4 Uhr morgens…darauf bereitet einen auch keiner vor.

10 Minuten später sitze ich auf der Treppe vor der Tür und warte auf Steffi, als sie aus dem Dunkel plötzlich vor mir steht. Sie weint…aufgehört hat sie sicherlich nicht in den letzten Minuten.

Alles was sie kann ist mir um den Hals fallen. Wie ein kleines Kind kniet sie vor mir und weint um ein verlorenes Kind, was sie kaum kannte, um eine Zukunft, die nicht mehr stattfinden wird und um ihre eigene Unschuld die ein jähes Ende fand. Bisher war sie eingewickelt in einen Kokon der aus Fäden voller Zuversicht und Hoffnung gestrickt war. Fern waren solche Horrorszenarien.

Wir sitzen so einige Zeit und lasse sie weinen.

Irgendwann sind wir dann reingegangen. Ich drücke ihr einen Kaffee in die Hand und wir hocken uns auf den Boden in die Küche und sie beginnt zu reden.

Ich lasse sie und höre einfach zu.

Manchmal braucht es nicht mehr. Nur jemanden der zuhört, der dich drückt, der dir zeigt das du da bist und das auffangen kannst und willst. Mir fällt es nicht leicht und ich fühle mich an meine frustranen Reanimationen erinnert, an all das Leid und an all die Leben die man nicht retten konnte.

Drei Stunden sitzen wir so. Irgendwann hörten die Tränen auf, aber ich weiß das sie wieder kommen werden. Auch dann werde ich da sein und zuhören. Auch dann wieder, wenn es sein muss, um 4 Uhr morgens in meiner Küche.

Im Laufe des Vormittags ruft mich der Oberarzt an und bedankt sich bei mir das ich das aufgefangen habe. Er hätte es nicht gekonnt. Nicht weil er nicht wollte, weil er selbst damit haderte und ihr nicht hätte helfen können weil ihn die Trauer selbst fast erstickt.

Eine Aussage die ihn in einem anderen Licht erscheinen lässt und meinen ganzen Respekt verdient.

Wir müssen mehr aufeinander aufpassen, mehr zuhören, mehr Empathie zeigen, mehr aufeinander zugehen, mehr zwischen den Zeilen lesen, mehr Familie sein.

Ganz grenzüberschreitend ohne Standesdünkel. Unabhängig davon ob wir aus der Pflege, Ärzteschaft, Therapie oder sonst wo her kommen, sind wir am Ende nur Menschen.